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Gedichte – nicht die Stärke von Roberto Bolaño: Im Fluss des Seins

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Lebendigsein lautet das Zauberwort von Roberto Bolaños Gedichten.
Die Hundestrasse ist ein seltsamer Ort. Dort sind nur Dichter unterwegs (und auch nur, wenn es nichts mehr für sie zu tun gibt) . Schwarze und rote Ameisen machen dem Reisenden das Leben schwer. Ab und an führt der Weg durch ein verlassenes Dorf, wo sich Angst und Schrecken finden. Ein Labyrinth aus Wegen und Ebenen, voller Schmutz und Trauer. Und doch trifft die Seele des Dichters am Ende auf sein Herz – «Am Boden zerstört, aber lebendig».
Lebendigsein lautet das Zauberwort von Roberto Bolaños Gedichten. Lebendigsein und Lieben. Es ist eine schräge Liebe, die immer schon durch den Schmerz gegangen ist, und ein Lebendigsein, das aus der Zerstörung erwächst. Unverkennbar lehnt sich Bolaño in seinen Gedichten an die Beatniks an, an ihre Lust an der Bewegung und an die «Ekstase» der lebendigen Wahrnehmung. Erst recht aber an das freie Fliessen der Sprache. «Fluss des Seins, oh, Fluss des Seins», schreibt er in einem Vers. Vor allem Allen Ginsberg und seine Kunst des Reflexionsgedichts, das von langen Versen und einem freien Rhythmus lebt, schimmern immer wieder durch Bolaños Gedichte. Nicht von ungefähr hat Bolaño einmal in einem Interview über sich selbst gesagt, er sei «der Beste seiner Generation».
Damit bezieht er sich auf Ginsbergs berühmtes Langgedicht «Howl», eines der Gründungsbücher der Beat-Generation, das mit den Worten beginnt: «I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked» («Ich sah die besten Köpfe meiner Generation zerstört vom Wahnsinn, hungrig hysterisch nackt», übersetzt Carl Weissner) .
Der Beste zu sein, meint vor diesem Hintergrund weniger ein aus Hybris gespeistes Eigenlob, als sich selbst zu den Zerstörten und Nackten zu zählen, die immer schon abgehängt sind. Als Bolaño 2003 mit gerade einmal fünfzig Jahren in Barcelona starb, hatte er eine lange Zeit der Krankheit hinter sich.

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