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Führende SPD-Politiker fordern Nachverhandlungen mit der Union

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Mehr als 24 Stunden haben die Sondierer in der Schlussrunde miteinander gerungen. Dann stand die Vereinbarung. Doch in der SPD wird nun der Ruf nach…
Führende SPD-Politiker haben nach den Sondierungen mit der Union deutliche Nachbesserungen an den Ergebnissen gefordert. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, Sondierungen und Koalitionsverhandlungen seien “unterschiedliche Paar Schuhe”. “Wir werden versuchen, in den Koalitionsverhandlungen noch Erfolge zu erzielen”, kündigte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin an.
Konkret forderte Dreyer Nachverhandlungen in der Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik. “Wir werden auch über die Bürgerversicherung noch einmal sprechen müssen”, verlangte Dreyer. “Ich hoffe, dass wir uns diesem Modell noch ein Stück nähern.” Auch die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Beschäftigungsverhältnissen sei für viele Menschen von großer Bedeutung. Auch über die Leiharbeit müsse in Koalitionsverhandlungen noch intensiv gesprochen werden.
Dreyer kritisierte auch die Sondierungsergebnisse in der Steuerpolitik. “Zu mehr Gerechtigkeit gehört ein höherer Spitzensteuersatz. Leider war das mit der Union nicht zu machen”, sagte sie. Auch ein Teil der Vereinbarungen zur Zuwanderung seien für die SPD “ganz schwierig”.
Bei der ersten Abstimmung an der SPD-Basis über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union haben die Gegner gesiegt. Mit einer Stimme Mehrheit stimmten die Delegierten eines Landesparteitags in Sachsen-Anhalt am Samstag für einen Antrag der Jusos. “Die SPD Sachsen-Anhalt spricht sich, insbesondere unter Berücksichtigung der ersten Ergebnisse der Sondierungen mit CDU und CSU, gegen eine erneute große Koalition aus”, heißt es in dem in Wernigerode beschlossenen Papier. Zur Begründung wird angeführt, dass verlässliches Regieren mit der Union aktuell nicht möglich sei.
Die SPD lässt am 21. Januar erstmals nach Sondierungsgesprächen einen Bundesparteitag über die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen entscheiden. Sachsen-Anhalt schickt 7 der 600 Delegierten. Sie müssen sich an das Votum des Parteitags nicht zwingend halten. Falls der Parteitag mit Ja den Weg für Verhandlungen frei macht, stimmen am Ende die Mitglieder in ihrer Gesamtheit über den dann auszuhandelnden Koalitionsvertrag ab.
Nach dem Abschluss der Sondierungen ist der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zuversichtlich, dass der SPD-Parteitag für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union stimmen wird. “Derzeit haben diejenigen viel Echo, die Ergebnisse hart kritisieren”, sagte der SPD-Politiker der Funke Mediengruppe. Dies dürfe auch so sein, “aber die Qualität der Vereinbarung erschließt sich, je mehr man sich damit beschäftigt”, fügte Weil hinzu. Es gebe trotzdem “noch viel Diskussionsbedarf”.
Zu den größten Erfolgen der SPD in den Sondierungen gehöre, der vereinbarte “Kurswechsel in der Europapolitik”, sagte Weil. “Deutschland wird zusammen mit Frankreich wieder Motor der EU. Und im Inneren werden buchstäblich Millionen von Menschen von Altersarmut bewahrt durch ein stabiles Rentenniveau.”
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles warb in den ARD-“Tagesthemen” für die von ihrer Partei durchgesetzten Sondierungsergebnisse. Die mit der Union vereinbarte Absenkung des Solis trage “voll die sozialdemokratische Handschrift”, sagte Nahles. Zudem habe es die SPD nach einem jahrzehntelangen Streit mit der Union geschafft, “ein Einwanderungsgesetz endlich durchzusetzen”. Nahles verwies auch auf die mit der Union vereinbarte “Trendwende” hin zu “mehr sozialem Europa”.
Angesprochen auf die geplante Gegenkampagne des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert, der durch ganz Deutschland reisen will, sagte Nahles: “Wir reisen auch. Dann schau’n wir mal. Ich bin da sehr zuversichtlich.”
Kühnert kritisierte in der Zeitung “Welt” besonders heftig die Sondierungsergebnisse beim Thema Migration. “Das entspricht nicht unseren Vorstellungen von Humanität”, sagte Kühnert. Er wolle deshalb auch weiter innerhalb der Partei gegen eine große Koalition mobilmachen, kündigte der Juso-Vorsitzende an.
SPD-Parteichef Martin Schulz hatte sich am Abend zuversichtlich gezeigt, dass der Parteitag der Sozialdemokraten am 21. Januar für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union stimmen wird. “Wir haben in den Verhandlungen, die wir geführt haben, eine Menge herausgeholt”, sagte Schulz in der ZDF-Sendung “Was nun?” zu den Sondierungen mit CDU und CSU. Deshalb glaube er, dass die Delegierten des Parteitages dem Sondierungsergebnis zustimmen werden.
Nach dem Sondierungsmarathon mit der SPD hat sich Kanzlerin Angela Merkel am Freitagabend in ihrem Wahlkreis zufrieden mit dem Ergebnis gezeigt. “Die Sehnsucht nach Unterschiedlichkeit in der Demokratie darf nicht so groß sein, dass die Möglichkeit der Zusammenarbeit nicht mehr gegeben ist”, sagte Merkel auf dem Neujahrsempfang des Landkreises Vorpommern-Rügen zu den Verhandlungen in Berlin. Die Sondierungen bezeichnete Merkel als “Schritt eins eines längeren Prozesses”. Sie hoffe, dass nach den Abstimmungen in den Parteien eine Regierung vor Ostern gebildet werden könne.
Zum neunten und nach eigenen Worten letzten Mal hat Horst Seehofer als Ministerpräsident den Neujahrsempfang der bayerischen Staatsregierung in der Münchner Residenz eröffnet. “Ich bin ein bisschen wehmütig in diesen Tagen, aber es überwiegt doch die Dankbarkeit”, sagte der CSU-Chef am Freitagabend in seiner kurzen Begrüßungsrede. Anwesend waren das gesamte Kabinett sowie Prominenz und Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Medien und Gesellschaft – wie im vergangenen Jahr waren rund 1700 Gäste geladen.
Wie vor einem Jahr verzichtete Seehofer auf die frühere Tradition des Defilees. Statt zum Auftakt stundenlang Hände der Gäste zu schütteln, konnte er so direkt zu Beginn seine kurze Rede halten. Nachdem Seehofer in der Nacht auf Freitag am Sondierungs-Marathon von Union und SPD in Berlin teilgenommen hatte, war zwischenzeitlich auch um seine eigene Anwesenheit gebangt worden. “Heute muss ich sagen, ich freue mich auch über mich, dass ich nach 24 Stunden ohne auch nur eine Minute eingenickt zu sein direkt hierher gekommen bin.”
“Sie glauben gar nicht, wenn man jeden Tag direkt neben Angela Merkel am Tisch sitzt, verliert man alle Eigenschaften eines bayerischen Löwen. Man wird wirklich zahm”, sagte Seehofer. Das Sondierungspapier sei ein Projekt für die Erneuerung und den Zusammenhalt Deutschlands. “Ich bin richtig müde, aber glücklich, dass wir eine Regierung bekommen.” Dieser Tag sei ein Erfolg für die Demokratie. Zur Überwindung der Spaltung der Gesellschaft sei noch mehr notwendig.
Schulz hatte wenige Tage nach der Bundestagswahl gesagt: “In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten.” Damals hatte er aber auch eine Große Koalition ausgeschlossen, über die jetzt verhandelt werden soll. Der frühere EU-Parlamentspräsident wird für das Amt des Außenministers gehandelt, das derzeit Sigmar Gabriel inne hat.
In der Sondierungsvereinbarung ist dem SPD-Chef die Passage zu Europa besonders wichtig. Sie sei weitgehend von ihm selbst verfasst worden, sagte er in dem Interview. Die Vereinbarungen zur Zukunft der Europäischen Union seien “ein großer Wurf”. Schulz nannte das mit der Union ausgehandelte Sondierungspapier insgesamt einen “großen Erfolg”. Über 80 Prozent der Punkte, die SPD sich vor den Gesprächen vorgenommen habe, seien umgesetzt worden. Auf die Frage, ob er zurücktrete, wenn der SPD-Parteitag am 21. Januar gegen Koalitionsverhandlungen stimme, sagte Schulz nur: “Das wäre schon ein weitreichender Vorgang.”
Die AfD hat das Resultat der Sondierungsgespräche von Union und SPD scharf kritisiert. “Das GroKo-Sondierungsergebnis beginnt schon in der Präambel mit einem grotesken Witz”, erklärten die AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland am Freitag. Ausgerechnet die Parteien, die vom Wähler am meisten abgestraft worden seien, wollten nun eine “stabile und handlungsfähige Regierung” bilden.

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