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Echo-Verleihung: Moderner Ablasshandel unter Sündern

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Bertelsmann Music hat lange an Kollegah und Farid Bang verdient. Jetzt spendet das Unternehmen für ein Antisemitismus-Programm. Sich zu empören, ist aber zu einfach.
So sieht moderner Ablasshandel aus: Die Bertelsmann Music Group spendet 100.000 Euro für ein Programm gegen den wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Das sagte der Geschäftsführer des Musikkonzerns, Hartwig Masuch, am Donnerstag in Berlin: Man wolle gemeinsam mit Expertengruppen eine Aufklärungskampagne entwickeln, die antisemitische Einstellungen an Schulen insbesondere in der deutschen Hauptstadt bekämpft. Auf diese Weise möchte die Bertelsmann Music Group – eine hundertprozentige Tochter des in Gütersloh ansässigen Bertelsmann Konzerns – Buße tun für die Geschäfte, die sie in den vergangenen Jahren mit den beiden Rappern Kollegah und Farid Bang getätigt hat. Diese stehen seit Kurzem im Schlaglicht der Öffentlichkeit wegen einer antisemitischen Textzeile. Auf ihrem aktuellen Album “Jung, brutal und gutaussehend 3” rappt Farid Bang unter anderem: “Deutschen Rap höre ich zum Einschlafen/ Denn er hat mehr Windowshopper als ein Eiswagen, ah/ Und wegen mir sind sie beim Auftritt bewaffnet/ Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen”.
Nachdem Kollegah und Farid Bang für dieses Werk am Donnerstag vergangener Woche den Echo Musikpreis in der Kategorie “Hip-Hop Urban/National” erhalten hatten, kam es zunächst zu vereinzelten Protesten gegen die Auszeichnung von Künstlern, deren Texte derartige Auschwitz-Witze und andere antisemitische Zeilen enthalten: Charlotte Knobloch vom Zentralrat der Juden kritisierte die Entscheidung ebenso wie Außenminister Heiko Maas. Am Dienstag verdichteten sich diese Proteste zu einem – wie es die Kollegen vom Perlentaucher formulierten – wahren “Zivilcourage-Tsunami”. Zahlreiche Echo-Preisträger gaben ihre Auszeichnungen zurück, zum Beispiel Klaus Voormann, der in diesem Jahr mit dem Lebenswerk-Echo geehrt worden war, oder der Pianist Igor Levit; übertrumpft wurden sie von Marius Müller-Westernhagen, der gleich sieben Echos zurückgeben konnte.

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