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NSU-Prozessurteil: An diesem Prozess ist Deutschland gewachsen

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Der NSU-Prozess war ein Erfolg – gerade weil sich das Gericht nicht von Politik und Öffentlichkeit hat treiben lassen. Der Rechtsstaat hat seine Souveränität bewiesen.
438 Sitzungstage in über fünf Jahren. 90 Hinterbliebene mit ihren Anwälten. Eine Hauptangeklagte mit vier Pflichtverteidigern. Zahllose zeitraubende Verfahrensanträge. Und was das alles gekostet hat! Der NSU-Prozess war gigantisch. Trotzdem bleiben auch nach dem heutigen Urteil viele Fragen zu den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds ungeklärt. Und doch war dieser Prozess nicht nur ungeheuer wichtig, sondern zeigt geradezu beispielhaft, was ein Rechtsstaat kann.
Praktisch niemand konnte sich den Nachrichten aus dem Münchner Oberlandesgericht entziehen. Der Prozess war eine gesellschaftliche Klammer, nachdem der NSU versucht hatte, das Land mit seinen Verbrechen zu provozieren und zu spalten.
Wer die Ausmaße des Verfahrens monströs nennt, der hat es nicht verstanden. Monströs waren die Taten des NSU. Monströs war das Ziel, das hinter dem Terrorismus steckt: Einwanderer so zu verschrecken, dass sie lieber das Land verlassen.
Zehn Morde, zwei Bombenanschläge. Taten, die jetzt mit dem Urteil juristisch gesühnt sind. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hat mehr als 800 Zeugen befragt. Er stand in der Verantwortung, das behäbige Verfahren zum Abschluss zu steuern und es zu verteidigen gegen etliche Versuche der Angeklagten-Anwälte, den Prozess scheitern zu lassen. Dass es überhaupt zum Urteil gekommen ist, ist sein Erfolg.
Hervorzuheben ist diese Leistung besonders angesichts der Ouvertüre zwischen der Enttarnung des NSU im November 2011 und dem Prozessbeginn im Mai 2013. Dazwischen, im Februar 2012, veranstaltete die Bundesregierung im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt eine Gedenkfeier mit den Hinterbliebenen der Opfer und Bundeskanzlerin Angela Merkel. In einer Festrede gab Merkel ein Versprechen: “Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.”
Das waren richtige Worte in einer schwierigen Zeit. Doch sie waren auch irreführend. Zuständig für die Bestrafung ist eben nicht die Kanzlerin, sondern ein Gericht, dem das Grundgesetz die Unabhängigkeit von Politik garantiert, auch von bundespolitischem Pathos.

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