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50. Todestag von Benno Ohnesorg: Es sollte eine friedliche Demonstration werden

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Heute vor 50 Jahren wurde Benno Ohnesorg bei Protesten gegen den Schah von Persien erschossen. Bernhard Wilhelmer meldete die Demonstration an – und hatte ein seltsames Gefühl dabei.
Irgendetwas war doch faul an dieser Geschichte. Sie hatten keinen Beweis dafür, sie hatten nur dieses seltsame Bauchgefühl. „Wenn das mal keine Falle ist“, sagte einer aus der Runde. „Wenn sie uns mal nicht dahin locken, um uns zu verprügeln.“ Der Satz stand wie eine Drohung im Raum.
Aber er wirkte so deplatziert. Prügel, Gewalt, Schläge, das waren keine Begriffe, die in diese Atmosphäre passten. Hier saßen Studenten, die Schlips und weißes Hemd trugen oder Rollkragenpullover. Na klar, im Büro des Allgemeinen Studentenausschusses (Asta) in der FU Berlin gab’s auch heftige Diskussionen, aber Gewalt lehnte jeder ab. Auch Bernhard Wilhelmer, der stellvertretende Asta-Vorsitzende, einer aus der Runde. Doch dieses komische Gefühl hatte er auch, an diesem Tag Ende Mai 1967.
Er spürte es sogar am stärksten. Schließlich hatte er im Namen des Asta eine Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien angemeldet. Er hatte mit Problemen gerechnet, natürlich. Aber dann? „Die Demo wurde problemlos genehmigt.“ Eine Falle also?
Auf jeden Fall war das seltsame Gefühl berechtigt. Am 2. Juni 1967 besuchte der Schah die Deutsche Oper, vor der die Demonstranten standen. Dann eskalierte alles. Polizisten und persische Geheimdienstler prügelten auf Demonstranten. Doch dass am Ende der Student Benno Ohnesorg mit einer Polizeikugel im Kopf tot in einem Hinterhof liegen würde, das war außerhalb jeder Vorstellungskraft.
50 Jahre später trägt Wilhelmer eine zerknitterte Jacke, seine Haare sind grau, die Spuren eines Lebens mit unzähligen Zigaretten haben sich tief in sein Gesicht gegraben. Der Publizistik-Student von 1967, der später auf Psychologie wechselte, hat inzwischen eine Karriere als Psychologie-Professor hinter sich. Wilhelmer zieht pausenlos an einer Zigarette, er ist jetzt 72 Jahre alt.
Vor sich, auf einem Biertisch, liegt eine vergilbte Ausgabe des „Spiegel“. Auf dem Titelbild redet Studentenführer Rudi Dutschke, umringt von Studenten und hoch erregt. Dahinter ein junger Mann mit Brille und Rollkragenpullover, der konzentriert zuhört. Wilhelmer tippt auf den Mann hinter Dutschke. „Das bin ich.“
Es ist die Ausgabe nach dem Ohnesorg-Tod, das Foto entstand im Forum des Audimax der FU, ein Sit-in, empörte Studenten debattieren, wie sie auf Ohnesorgs Tod reagieren sollen. Und Wilhelmer im Zentrum. Im Zeitraffer war der Mann, „der mit Gewalt nichts am Hut hatte“, mitten in eine Situation geraten, bei der die Republik bebte. Der 22-Jährige hatte an eine friedliche Demo gedacht. Und jetzt redeten sie von „Mord“.
Der Schah war ein Diktator, dessen Geheimdienst politische Gegner einsperrte und vernichtete. Aber als Wilhelmer seine Demonstration anmeldete, da galt der Protest gar nicht in erster Linie der Hassfigur aus Persien. „Wir waren empört, dass er so prominent empfangen wurde.

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