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Bundestagswahl: Angela Merkel einsam an der Spitze

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Zum vierten Mal hat sie gewonnen. Aber dieser Sieg ist für Angela Merkel kein Triumph. Partner zu finden, wird der wahre Kampf. Wo es hingeht, bleibt völlig offen.
Gewinnen kann sehr bitter sein. Im Konrad-Adenauer- Haus scharen sich Angela Merkels Unterstützertruppen vor dem Podium, auf dem nachher die Chefin auftreten wird. Um sie herum drängt sich die Weltpresse mit allem, was bewegte Bilder machen kann, von der Fernsehkamera bis zum Smartphone auf dem Selfie-Stick. Um 18 Uhr brechen die Unterstützertruppen beim Blick auf den riesigen Fernsehschirm in frenetischen Jubel aus. Der schwarze Balken der Union zeigt 32,5 Prozent. Das wäre das schlechteste Wahlergebnis, das CDU und CSU seit 1949 je erzielt haben. Vielleicht sind die Unterstützertruppen einfach zu jung, um das zu wissen? Oder sie glauben wirklich, sie hätten gesiegt, weil der schwarze Balken ja immerhin noch der größte ist. Dabei steht er doch nur dafür, wie bitter gewinnen sein kann.
Die Union ist abgestürzt. Die SPD ist abgestürzt. Die AfD sitzt stärker im nächsten Bundestag als es sich die anderen in Albträumen ausgemalt haben. Die FDP ist wieder da, die Grünen immer noch, die Linke hat das Beben auch überlebt. Deutschland wird regiert werden, aller Voraussicht nach von Angela Merkel. Aber bis dahin und ab dann wird es – wie hieß noch das Wort des Abends? Bitter.
Man kann das am deutlichsten am Gesicht des Horst Seehofer ablesen. Die CDU ist nicht alleine abgestürzt, sondern die CSU noch mehr. Etwas mehr als 38 Prozent haben die Christsozialen in Bayern bekommen. Das ist meilenweit weg von der absoluten Mehrheit. Seehofer hat es einmal als sein Lebenswerk bezeichnet, die Vorherrschaft seiner Partei zu bewahren. In ziemlich genau einem Jahr muss er sich der Probe aufs Exempel bei der Landtagswahl stellen. Jetzt auf dem Podium der Parteizentrale in München hat er dieses schmale, halbe Lächeln um die Mundwinkel, das bei ihm für äußerste Anspannung steht. „Eine herbe Enttäuschung“, presst Seehofer hervor. „Ich bin entschlossen, dass wir das so schnell wie möglich wieder ausbügeln.“
Angela Merkel lächelt deutlich entspannter, als sie eine Dreiviertelstunde nach der Schließung der Wahllokale im Konrad-Adenauer-Haus auf die Bühne marschiert. Die Unterstützertruppen brechen wieder in diesen außerirdischen Jubel aus, das CDU-Präsidium, soweit anwesend, klatscht gemessenen Beifall. Das Präsidium und Merkel kennen die Parteigeschichte. Andererseits ist Merkel inzwischen ein Teil davon und weiß also zum Beispiel, dass sie selbst vor acht Jahren hier mit einem ähnlich mauen Wahlergebnis stand. Und außerdem hat sie die Probe ja nun hinter sich und nicht vor sich wie Seehofer.
„Wir brauchen nicht drumrum zu reden, natürlich hätten wir uns ein wenig ein besseres Ergebnis gewünscht“, sagt die CDU-Chefin. Aber die „strategischen Ziele“ habe die Union trotzdem erreicht: stärkste Fraktion, gegen die niemand regieren kann, Auftrag zur Regierungsbildung. Ach ja, und da liege dann noch „eine große neue Aufgabe vor uns“. Große neue Aufgabe. Aha. So kann man das natürlich auch nennen, wenn einem eine neue Rechtsbewegung gerade – das besagen die ersten Wählerwanderanalysen – eine Million Wähler weggenommen hat und jetzt auf einen Schlag drittstärkste Kraft im Bundestag ist. Auf die Aufgabe wird gleich noch zurückzukommen sein. Sie hat einiges mit der anderen Aufgabe zu tun, die nun auf Merkel zukommt: eine Regierung bilden.
Auf den ersten Blick ist das sogar simpel. Es bleibt nämlich nur eine. Die ersten Prognosen sind kaum über die Fernsehschirme gelaufen, da sagt die SPD- Spitze der großen Koalition adieu. Auch Martin Schulz’ Partei ist abgestürzt, auch sie auf ein historisches Tief – grad mal so die 20 Prozent gehalten.

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