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Der Kanzler und sein Kabinett

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Heute soll der Koalitionsvertrag unterzeichnet werden. Das Kabinett der Ampel-Koalition steht bereits. Wer sind die Ministerinnen und Minister? Was zeichnet sie aus, was ist von ihnen zu erwarten? 17 Porträts unserer Hauptstadtkorrespondenten.
Heute soll der Koalitionsvertrag unterzeichnet werden. Das Kabinett der Ampel-Koalition steht bereits. Wer sind die Ministerinnen und Minister? Was zeichnet sie aus, was ist von ihnen zu erwarten? Zum ersten Mal gibt es mehr Ministerinnen als Minister, statt 16 sind es nun 17 Mitglieder: Das Kabinett von Olaf Scholz steht — heute soll der Koalitionsvertrag unterzeichnet werden. Am Mittwoch wird dann wohl Scholz vom Bundestag zum neuen Kanzler gewählt und das neue Kabinett ernannt und vereidigt. Wer aber sind die Mitglieder des Kabinetts? Welche Schwerpunkte haben sie bisher gesetzt? 17 Porträts unserer Hauptstadtkorrespondenten: «Die Führung ist jetzt da», macht Scholz immer wieder klar, auf die Frage, wo er eigentlich die letzten Tage war, als Deutschland vom zukünftigen Kanzler Lösungen raus aus der Pandemie-Krise hören wollte. Er sehe die Verantwortung für das ganze Land, ja, Aufgaben für den ganzen Planeten, betont er auf dem SPD-Parteitag. Er ist kein Typ der zu vielen Worte, der zu vielen Auftritte. Auch nicht der flotten Sprüche, wie frühere SPD-Kanzler. Er ist der Stratege, der im Hintergrund viel verhandelt — das hat er gelernt, als Arbeitsrechtler, als regierender Bürgermeister in Hamburg, als Vize-Kanzler, als Finanzminister — die Liste seiner Führungsaufgaben ist lang. Skandale sitzt er aus: von Cum-Ex bis Wirecard. Er formuliert daraus eine Positiv-Geschichte, wie er die Finanzbehörden daraufhin reformiert hat. Der ehemalige US-Botschafter John Kornblum bezeichnete ihn als vielleicht langweiligsten Mann Deutschlands. Aber das würden die Deutschen nun einmal mögen. Andere nennen es Sehnsucht nach Stabilität. In der Pandemie ist die Sehnsucht nach einem Technokraten wie Scholz, der alles geräuschlos regelt, sicherlich groß. Genauso die Aufgaben, die auf ihn jetzt zukommen werden. Wenn jemand für Kontinuität in der Bundes-SPD steht, dann Hubertus Heil. Seit 1998 gehört der gebürtige Niedersachse dem Deutschen Bundestag an. Seitdem hat er sein Direktmandat immer verteidigt. Weniger erfolgreich war er in seiner Zeit als Generalsekretär als Wahlkampfmanager. Das Amt übte er von 2005 bis 2009 und noch einmal kurzfristig 2017 aus. Bei den Wahlen 2009 und 2017 erzielte die Partei ihre beiden schlechtesten Nachkriegsergebnisse. Immerhin gehörte er zu den Generalsekretären, die bei ihrer Wiederwahl mit einem besseren Ergebnis im Amt bestätigt wurden. Dies zeigt, dass es Heil gelang, seine Verankerung bei der Parteibasis auszubauen. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass Heil als einer der wenigen SPD-Kandidaten von Anfang an für einen Ministerposten als gesetzt galt. Politisch steht Heil für einen linksliberalen Kurs. In seiner Zeit als Minister für Arbeit und Soziales in der Großen Koalition lag ihm vor allem das Tarifrecht am Herzen. So fallen in seine Amtszeit die Verabschiedung eines gemeinsamen, allgemeinverbindlichen Tarifvertrages in der Altenpflege oder das sogenannte Paketboten-Schutz-Gesetz, das die soziale Absicherung von Beschäftigten im Kurierdienst verbessert. Mit der Nominierung von Nancy Faeser als Innenministerin ist Scholz eine Überraschung gelungen. Dabei wird die Landespolitikerin in der Bundes-SPD schon seit Jahren immer wieder gelobt und für höhere Ämter gehandelt. Faeser war zwölf Jahre lang innenpolitische Sprecherin in Hessen. Die 51-Jährige hat sich in Hessen vor allem mit der Aufarbeitung von Verbrechen auseinandergesetzt, die aus der rechtsextremen Szene heraus begangen wurden. Das waren ungewöhnlich viele und ungewöhnlich brutale Vorfälle: etwa der Mord der Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds an Halit Yozgat in Kassel 2006 und der Verstrickung des hessischen Verfassungsschutzes in den NSU-Skandal, die NSU-2.0-Drohbriefe, der Mord an Walter Lübcke 2019 und der Anschlag in Hanau 2020, dem neun Menschen zum Opfer gefallen sind. Mit der Personalie Faeser setzt Scholz ein klares Zeichen: Diese Bundesinnenministerin ist willens, den immer brutaler auftretenden Rechtsextremismus in Deutschland zu bekämpfen. Und sie scheut sich nicht davor, die Arbeit des Verfassungsschutzes zu hinterfragen. Dass sie nicht zum linken Parteiflügel der SPD gehört, sondern als eher konservative Sozialdemokratin die Bedeutung von Sicherheitsbehörden zu schätzen weiß, wird ihr bei der neuen Aufgabe zugutekommen. Von heute auf morgen eines der größten Ministerien in Deutschland zu führen, das seit 2005 in Hand der CDU war und konservativ geprägt ist, wird zweifelsohne eine gewaltige Aufgabe für Faeser werden. Die Fliege hat er inzwischen abgelegt. Ein Friseur hat die Haare bezwungen. Dass er rheinisch nuschelt gehört zum Gesamtkunstwerk des künftigen Gesundheitsministers. Karl Lauterbach,57, hat Verehrer, auch weil er anders ist. Aber Lauterbach spaltet auch. In der Pandemie gilt er als der strenge Mahner. Dafür wird er beschimpft und bedroht. Die Konsequenz mit der Karl Lauterbach für harte Corona-Maßnahmen wirbt, haben ihn für Corona-Leugner und Impfgegner zur Hassfigur gemacht. Aus dem Haus kann er nur noch mit Sicherheitsbeamten. Lauterbach ist Arzt, Gesundheitsökonom und Epidemiologe, er hat in Harvard studiert, in Köln das Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie geleitet. Seit 2005 sitzt er im Bundestag. Lauterbach dürfte sein Amt anders verstehen als sein Vorgänger Jens Spahn. Er wird mehr auf die Wissenschaft hören. Dass auch die scheidende Kanzlerin, wie er Mahnerin, seinen Ratschlag sucht, lässt er gerne wissen. Er wird aber auch beweisen müssen, dass er jenseits der Pandemiebekämpfung ein wichtiges Ministerium führen kann, dass er das Krankenhaussystem umbauen, den Pflegenotsand bekämpfen und dem Druck so vieler Lobbyisten begegnen kann. Nicht die Besetzung an sich, aber das Amt ist die Überraschung: Christine Lambrecht soll Verteidigungsministerin werden. Dass die 56-jährige Hessin auch in der künftigen Ampel-Regierung ein Ministerium leiten sollte, galt schon länger als klar. Gehandelt wurde Lambrecht allerdings fürs Innenministerium. Die Juristin hatte auch selbst keinen Hehl daraus gemacht, dass sie die Innenpolitik bei der Neubesetzung besonders interessiert, hatte sie doch auch im Bundestag, dem sie 23 Jahre lang angehörte, ihren Fokus auf Rechts- und Innenpolitik gelegt. Seit 2019 ist Lambrecht Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. Sie kam mitten in der Legislatur ins Amt, weil Katarina Barley ins Europaparlament wechselte. Auch wenn Lambrecht zunächst als Notlösung galt, gelang es ihr schnell, Akzente zu setzen — etwa im Bereich der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität.2021 übernahm sie zudem kurzfristig das Amt der Familienministerin. Als Verteidigungsministerin will Lambrecht die Auslandseinsätze der Bundeswehr überprüfen, wie sie bei der Vorstellung der SPD-Ministerriege ankündigte. Die 53-jährige Svenja Schulze galt schon vor vier Jahren als Überraschung, als sie von der SPD zur Umweltministerin der letzten Merkel-Regierung nominiert wurde.

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