Als Reservist der
Navy steht Sean Spicer im Rang eines Commanders, an Bord eines Schiffs kommt über ihm nur noch der Kapitän. Seine Rolle als
Pressesprecher des Weißen Hauses interpretiert Spicer offenbar genau so: In
seiner ersten Pressekonferenz nach dem Antritt seines Chefs
Donald Trump als US-Präsident wollte er den anwesenden Journalisten eine Wahrheit diktieren,
die zwar nicht mit der Realität in Einklang zu bringen ist, aber
ganz dem Selbst- und Weltbild seines Chefs entspricht.
Spicer hat seinen Master am Naval War College in Rhode Island gemacht
und ist seit 17 Jahren Marinereservist. Bis vor
wenigen Tagen war er der Kommunikationsdirektor und oberste Stratege des
Republican National Committee, der Parteiführung der Republikanischen
Partei. Am Samstag begann seine Arbeit im Weißen Haus mit
einer Standpauke, die er ablesen musste – und die erahnen lässt,
wie die Öffentlichkeitsarbeit der US-Regierung in den kommenden vier
Jahren aussehen wird.
Bei der Pressekonferenz ging es praktisch
nur um ein Thema: die
Zuschauerzahlen bei Trumps Vereidigung vor
dem Kapitol in Washington, D. C. Nicht Trumps erste präsidiale
Verfügungen wurden diskutiert, mit denen er den
Affordable Care Act von Obama aushebelt und finanzschwachen
Hauskäufern höhere
Hypothekenzahlungen beschert. Es ging nur darum, dass zu Trumps
Vereidigung nicht annähernd so viele Menschen gekommen waren wie zu
Obama.
Die Berichte, belegt
mit Fotos und Analysen unter anderem des öffentlichen Nahverkehrs,
haben den neuen Präsidenten gekränkt. Sie haben ihn an seiner empfindlichsten Stelle
getroffen, seinem Ego. Spicer stellte die Berichte über die Zuschauerzahlen als absichtlich
irreführend dar und verkündete eigene, durch nichts belegte und
teils nachweislich falsche “Fakten”.