Berlin. Wer geneigt ist, aus prinzipiellen Erwägungen über die lange Amtszeit von Angela Merkel zu klagen, der bekam am Dienstag in Warschau die großen Vorteile langjähriger Erfahrung vorgeführt. Eine als äußerst heikel geltende Mission wie die Reise nach Polen, inklusive eines Treffens mit dem autoritären Parteiführer Jaroslaw Kaczynski, erledigte die Kanzlerin mit beeindruckender Souveränität. Trotz diverser polnischer Mahnungen im Vorfeld, es mit den Attacken auf die allein regierenden Rechtskonservativen nicht zu übertreiben, redete Merkel vor laufenden Kameras Klartext. Sachlich und in ein Kompliment verpackt forderte die Kanzlerin die Einhaltung demokratischer Werte ein.
Man konnte sich lebhaft vorstellen, wie es in Kaczynski zu brodeln begann, der Merkel erst am Abend hinter verschlossenen Türen traf, weil er kein Regierungsamt innehat und sich derzeit mit der Rolle des kontrollierenden Strippenziehers begnügt. Wes Geistes Kind der starke Mann in Polen ist, das hatte er in jüngsten Interviews klargemacht.