Jamaika war gestern, morgen könnte wieder GroKo sein. Nach dem Parteitag der SPD treffen sich Sozialdemokraten und Union schon am Mittwoch zu einer Spitzenrunde.
Nach der Zustimmung der SPD zu ergebnisoffenen Gesprächen mit der Union wollen sich die Parteispitzen schon am nächsten Mittwoch treffen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am späten Donnerstagabend in Berlin. Dabei sollen Gemeinsamkeiten ausgelotet werden, es handelt sich aber noch nicht um den Einstieg in offizielle Sondierungen für eine Regierungsbildung.
An dem Treffen am Mittwochabend werden voraussichtlich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Martin Schulz teilnehmen, außerdem die Fraktionschefs Volker Kauder (CDU), Andrea Nahles (SPD) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Erwartet wird, dass sich die Runde auf einen Fahrplan einigt. Der SPD-Vorstand will dann zwei Tage später (15. Dezember) beraten, ob förmliche Sondierungsverhandlungen Anfang Januar starten sollen. Der CDU-Vorstand berät an diesem Sonntagabend (10. Dezember) das weitere Vorgehen. Möglich ist, dass es ein zweites Spitzentreffen im Sechser-Format noch in der Woche vor Weihnachten geben könnte.
Die SPD legt die Latte für eine Neuauflage der großen Koalition hoch. “Es muss klar sein, dass es eine Bürgerversicherung und ein Gesundheitssystem für alle gibt”, sagte der Chef des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, der Deutschen Presse-Agentur.
Die SPD kritisiert eine Zwei-Klassen-Medizin und will durchsetzen, dass das System privater und gesetzlicher Krankenversicherungen abgelöst wird. So sollen auch Beamte in die Bürgerversicherung einzahlen, die Bevorzugung privater Kassenpatienten soll beendet werden. Ziel ist es, die Beiträge für untere Einkommensschichten zu senken, weil es mehr Einzahler in das einheitliche Kassensystem gäbe. Die Union lehnt das bisher klar ab.
Der SPD-Parteitag hatte sich am Donnerstag mit großer Mehrheit für ergebnisoffene Gespräche mit der Union ausgesprochen. Die rund 600 Delegierten votierten klar für Gespräche, die zu einer großen Koalition, einer Minderheitsregierung von Kanzlerin Merkel oder zu Neuwahlen führen könnten. Ein Antrag der Jusos, der für einen Ausschluss der großen Koalition warb, fand keine Mehrheit.
Schulz hatte eindringlich für die Gespräche geworben, nachdem die Parteispitze nach der Bundestagswahl und dem Scheitern eines Jamaika-Bündnisses eine große Koalition zunächst ausgeschlossen hatte. “Wir müssen nicht um jeden Preis regieren. Aber wir dürfen auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen”, sagte er.
In der Bevölkerung ist die Zustimmung zu einer großen Koalition seit der Bundestagswahl deutlich gestiegen. Nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend fänden 45 Prozent eine solche Konstellation sehr gut oder gut, 52 Prozent weniger gut oder schlecht. Im Deutschlandtrend Anfang Oktober fand eine große Koalition nur bei 33 Prozent der Befragten Zustimmung, nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche zwischen Union, FDP und Grünen waren es 39 Prozent.
In der SPD gibt es massive Vorbehalte gegen eine Neuauflage, zumal bisher echte “Leuchtturmprojekte” wie der 2013 durchgesetzte Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde fehlen. Am Ende würden wie damals die rund 440.000 Mitglieder über einen möglichen Koalitionsvertrag mit der Union abstimmen – in der SPD wird in dem Fall mit einer Regierungsbildung nicht vor März gerechnet. Schulz wurde vom Parteitag mit 81,9 Prozent wiedergewählt – im März hatte bei seiner Amtsübernahme und Kür zum Kanzlerkandidaten 100 Prozent erhalten.
Dass Schulz der richtige Vorsitzende ist, um die SPD zu erneuern, glauben nach dem neuen ARD-Deutschlandtrend nur 32 Prozent der Deutschen. Bei den SPD-Anhängern liegt die Zustimmung mit 65 Prozent deutlich höher. Eine erneute große Koalition fänden nach der Umfrage 45 Prozent der Bürger gut oder sehr gut, 36 Prozent weniger gut und 16 Prozent schlecht.
Der Hamburger Regierungschef Olaf Scholz hat bei der Wahl der sechs stellvertretenden Parteivorsitzenden eine herbe Schlappe erlitten. Scholz, der zuletzt Kritik am Kurs von SPD-Chef Martin Schulz geäußert hatte, bekam beim Bundesparteitag auf eine Zustimmung von nur 59,2 Prozent – vor zwei Jahren hatte er 80,2 Prozent erhalten. Das beste Ergebnis erzielte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die erstmals für einen Vizeposten kandidierte und starke 97,5 Prozent bekam.
Auch die anderen zwei Frauen neben Dreyer erhielten bessere Ergebnisse als die drei Männer in der Vize-Riege: Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, bekam 86 Prozent (2015: 92,2). Die bayerische SPD-Chefin Natascha Kohnen erhielt bei ihrer ersten Kandidatur für das SPD-Vizeamt 80,1 Prozent. Neben Scholz schnitten auch die anderen Männer mäßig ab.
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Deutschland — in German Nach SPD-Parteitagsbeschluss: SPD und Union vereinbaren Treffen