Jan Ullrich löst 1997 einen nie da gewesenen Radsport-Boom in Deutschland aus, als er die Tour de France gewinnt. Doch es folgt erst der tiefe Fall im Sport, dann in seinem Leben. Zwischenetappe 2018: Zwangseinweisung in die Psychiatrie.
Jan Ullrich blickt noch einmal über die Schulter, dann steigt er aus dem Sattel und stürmt unwiderstehlich die Rampen nach Andorra-Arcalis hinauf. Oben angekommen streift er sich das Gelbe Trikot der Tour de France über und zieht es bis Paris nicht mehr aus. „Voilà le Patron“, titelt das Tour-Organ „L’Équipe“, vom „Boris Becker des Radsports“ ist die Rede. Ganz Deutschland ist hin und weg.
An jenem 15. Juli 1997 löst der sympathische Junge aus Rostock mit den rotblonden Haaren und den Sommersprossen im Gesicht einen nie da gewesenen Radsport-Boom hierzulande aus.
Fortan versammeln sich jedes Jahr im Juli Millionen Menschen vor dem Fernseher und leiden stundenlang mit Ullrich, wenn es die Bergriesen in den Alpen und den Pyrenäen hinaufgeht. Sponsoren und Veranstalter stehen Schlange. Ullrich ist Everybody’s Darling, der Popstar auf zwei Rädern. Der Kumpeltyp, der im Winter auch mal gerne über die Stränge schlägt und ein paar Pfunde zuviel mit sich herumschleppt.
Doch sein Talent auf dem Rad ist nahezu einzigartig. Da werden ihm auch Fehler wie die kurze Dopingsperre, weil er in einer Disco zwei Ecstasy-Pillen geschluckt haben soll, verziehen.
Experten wie Eddy Merckx oder Bernard Hinault prophezeien Ullrich fünf Toursiege oder mehr. Doch daraus wird nichts. Ullrich feiert zwar weitere Erfolge wie den Olympiasieg 2000, bei der Tour steht ihm aber ein gewisser Lance Armstrong im Weg. Siebenmal gewinnt der wie besessene und vom Krebs geheilte Texaner die Frankreich-Rundfahrt, mit unerlaubten Mitteln, wie sich später herausstellt.
Für Ullrich bleibt oftmals nur der zweite Platz. An seiner Beliebtheit ändert dies freilich nichts. Denn es sind große Duelle mit einem tapfer kämpfenden Ullrich. Steigt er bei Rennen in Deutschland auf das Rad, stehen tausende Fans am Straßenrand.
Als Armstrong aufhört, will Ullrich 2006 noch einmal auf den Tour-Thron. Ein letzter Angriff für das große Ziel. Es bleibt ein unerfüllter Wunsch. In Spanien wird der Radstar bei der großangelegten Operacion Puerto als Kunde des Dopingarztes Eufemiano Fuentes enttarnt. Ullrich wird noch vor der Tour aus dem Starterfeld genommen, sein T-Mobile-Team zieht einen schnellen Schlussstrich.
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Deutschland — in German Doping, Alkohol, Drogen, Festnahmen – der tiefe Fall des Jan Ullrich