US-Präsident Trump will den Atom-Abrüstungsvertrag mit den Russen kündigen. Das weckt Erinnerungen an den Kalten Krieg. Und an Ronald Reagan.
Wenn die Gegenwart verwirrt, muss die Geschichte helfen. Dann springen Vergleiche, die sonst hinken, locker über historische Fakten und Entwicklunglinien hinweg und überwinden mit einem Wimpernschlag die Jahrzehnte, die zwischen dem Jetzt und der lockenden Parallelwelt liegen. Dort findet man sich in angenehmen Gruselfilmen wieder – wie zum Beispiel in „Babylon Berlin“.
Die Fernsehserie bedient eine nicht nur deutsche Angstlust – verbunden mit wackelnder Demokratie, Weltwirtschaftskrise, rechter Herrschaft, heraufziehender Kriegsgefahr. Und auch weil sich das Ende des Ersten Weltkriegs jetzt jährt – 100 Jahre haben einige Symbolkraft –, ist viel die Rede von Weimar und den Zwanzigern. Schon damals waren, wenn man Tom Tykwer & Co. glauben will, die Russen die Bösen. Und die deutschen Herrenreiter sägten am Staatsgerüst.
Doch plötzlich verzieht sich der Roaring-Twenties-Spuk auf seinen Sendeplatz. Da kommt aus den Nachrichten ein neues Gespenst, und es kommt einem verdammt bekannt vor. US-Präsident Donald Trump kündigt an, das Abrüstungabkommen über nukleare Mittelstreckensystem (INF) in die Tonne zu treten. Es stammt aus dem Jahr 1987 und wurde noch mit der Sowjetunion geschlossen. Kommt da wieder ein Kalter Krieg, wenn er nicht schon längst im Gang ist? Kehrt das Bedrohungsgefühl zurück, das die Achtzigerjahre so stark bestimmte?
Bis vor Kurzem hätte man noch gesagt, dass die Achtziger mindestens so weit weg sind wie die Zwanziger. Doch die Berliner „Unteilbar“-Demonstration unter dem Motto „Solidarität statt Ausgrenzung – für eine offene und freie Gesellschaft“ vom 13. Oktober mit fast einer Viertelmillion Menschen erinnerte an die großen Friedenskundgebungen 1981 und 1983 in Bonn. Am 22. Oktober 1983 wurden in der damaligen Bundeshauptstadt 500 000 Friedensbewegte auf den Straßen gezählt. In der gesamten Bundesrepublik waren an jenem Tag über eine Million Menschen auf den Beinen.
Der Nato-Doppelbeschluss trieb sie heraus. Pershing 2 und SS 20 – so hießen die amerikanischen und russischen Raketen, die Angst und Schrecken verbreiteten. Vor 35 Jahren sprachen Heinrich Böll, Petra Kelly und auch Willy Brandt in Bonn. Eine Band namens Geier Sturzflug aus Bochum spielte „Besuchen Sie Europa, solange es noch steht.“ Es trat dort auch Hannes Wader auf, man hörte die Bots mit ihren schunkelnden Animierliedern, aber Ironie war in jenen Jahren schnell zur Stelle.