Mit seiner Rückzugsankündigung reagiert CSU-Chef Seehofer auf den innerparteilichen Druck. Sein Führungsstil war lange sein Erfolgsrezept, doch die Pleite bei der Bayern-Wahl brachte ihn letztlich zu Fall. Julian von Löwis blickt zurück.
Mit seiner Rückzugsankündigung reagiert CSU-Chef Seehofer auf den innerparteilichen Druck. Sein Führungsstil war lange sein Erfolgsrezept, doch die Pleite bei der Bayern-Wahl brachte ihn letztlich zu Fall.
Nur vier Jahre liegen zwischen Horst Seehofers wohl größtem Triumph und seiner schwersten Niederlage. 2013 gewann er für die CSU im Bayerischen Landtag die absolute Mehrheit zurück. 2017 kam seine Partei bei der Bundestagswahl auf nur noch 38,5 Prozent in Bayern.
Seehofer war schon immer ein Politiker der Gegensätze. “Der größte Fehler der Politik ist die Kontinuität im Irrtum”, sagte er 2013. “Wenn man erkennt, etwas passt nicht mehr in die Zeit und nur aus Furcht, dass es da eine Diskussion gibt, daran festhält, da bin ich eher dafür, dass man es ändert.”
Es ist dieser Politikstil, mit dem Seehofer seit jeher polarisierte. Die einen kritisierten ihn als Wendehals, als “Drehhofer”, die anderen schätzten genau das an ihm. Seehofer nannte das, in alter CSU-Manier, seine “Koalition mit den Bürgern”.
Und diese Koalition blieb stabil. Bei der Europawahl 2014 bekam die CSU mit nur noch 40,5 Prozent zwar einen gehörigen Dämpfer – Seehofers Beliebtheitswerte blieben aber weiter hoch. Auch dann noch, als ab dem Sommer 2015 Flüchtlinge über Monate hinweg täglich zu Tausenden nach Deutschland einreisten. Seehofer forderte eine Obergrenze von jährlich 200.000 und ging auf klaren Konfrontationskurs zu Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Im November 2015 kam es zum offenen Bruch: Der CSU-Chef stellte die Kanzlerin auf dem CSU-Parteitag bloß. Zum Parteitag 2016 wurde sie nicht eingeladen. Erst im Wahljahr 2017 versöhnten sich Seehofer und Merkel wieder.
Die Obergrenze blieb zwar ein pikantes Thema – Seehofer beschwor ab diesem Zeitpunkt allerdings immer die Einigkeit zwischen CSU und CDU, zwischen ihm und der Kanzlerin. Das Ergebnis: magere 38,5 Prozent für die CSU bei der Bundestagswahl – für das Ergebnis wurde Seehofer persönlich verantwortlich gemacht. In Bayern musste er nun Platz machen für Markus Söder, er blieb aber Parteivorsitzender und ging überraschend als Innenminister nach Berlin.
Der Verlust seines Amtes als Ministerpräsident schmerzt Seehofer immer noch sehr. Und er macht auch keinen Hehl daraus. “Das neue Amt ist schwerer als das alte Amt”, sagte er im August dieses Jahres. “Das alte Amt war schöner.” Die Tatsache, dass ausgerechnet sein Dauerrivale Söder bayerischer Landesvater geworden ist, stört ihn dabei wahrscheinlich bedeutend weniger als der Verlust an sich.
Sicher hat er mit dem einen oder anderen aus der CSU-Fraktion im Landtag noch eine Rechnung offen. Sie ließen ihn nach der verkorksten Bundestagswahl 2017 fallen und setzten auf Söder. Doch wer glaubt, Seehofer setze mit seinen Alleingängen und seiner politischen Unberechenbarkeit auf eine Schwächung der CSU und wolle sich damit rächen, der irrt.