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Vier Jahre Frust, jetzt Party vor dem Weißen Haus

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In Washington versammeln sich Zehntausende, um Bidens Sieg zu feiern. Doch die Jubelbilder zeigen erneut, wie gespalten die Nation ist.
So wie Kamala Harris geht es vielen Amerikanern an diesem Morgen. Sie müssen erstmal auf andere Gedanken kommen, sie joggt eine Runde, als die erlösende Nachricht kommt. „We did it, Joe“, sagt die künftige, erste weibliche, Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, am Mobiltelefon zu Joe Biden. „Du wirst der nächste Präsident der Vereinigten Staaten sein“, sagt sie und lacht aus tiefstem Herzen, was für eine riesige Erleichterung bei ihr zu spüren ist. So wie bei zig Millionen anderen Amerikanern. Auch im Park an der National Mall in Washington joggen hunderte an diesem 7. November bei Kaiserwetter, es wirkt zunächst wie ein weiterer Tag des Wartens, mittlerweile kennt man ja inzwischen fast alle Wahlbezirke in Staaten wie Pennsylvania und Arizona. Als dann gegen 11.20 Uhr die ersten US-Sender und die Nachrichtenagentur AP plötzlich melden, dass Biden nun ganz sicher Pennsylvania holt und die magische Grenze von 270 Wahlmännern überspringt, geht es blitzschnell. Die ersten Autokorsos bilden sich, Jubelschreie auf den Straßen, auf Balkonen schlagen die Menschen auf Töpfe, umarmen sich. Wo die Demokratie in den USA in der Amtszeit Donald Trumps schweren Schaden zu nehmen schien, erlebt sie hier ein großes Comeback, wenngleich keiner weiß, ob die tiefen Gräben jemals wieder zuzuschütten sind. Vom Frühstückstisch zum Weißen Haus Zehntausende Menschen strömen vom Frühstückstisch direkt Richtung Weißes Haus. Man hatte ja nun fast fünf Tage Zeit, sich auf den Moment vorzubereiten. Die Nachricht ist keine Stunde alt, da fährt an der – nach dem Tod von George Floyd um Argwohn von Donald Trump von der Stadt so benannten – Black Lives Matter-Plaza ein weißer PickUp vor, statt Nummernschild hängt dort ein blaues Schild „Biden Harris“. Auf der Ladefläche spielt eine Swing-Combo, es ist das andere, das zuversichtliche fröhliche Amerika, das hier mit Tuba, Trompete und Saxofon die gewaltige Freude über die Abwahl Trumps herausspielt. Dahinter tanzt eine mit dem Zustrom von allen Seiten rasch immer größer werdende Menge, fast alle Corona-konform mit Mundschutz, in der Hauptstadt ist er auch auf der Straße Pflicht. Eine Frau hält ein Pappschild hoch: „You’re fired“, auf anderen steht: „Trump is over.“ Da schwingt natürlich auch viel Wunschdenken mit, seine Anhänger werden nicht ruhen. Es ist eine fröhliche, befreiende Stimmung. Die Autos, die nicht mehr durchkommen, hupen fröhlich, überall werden USA-Fahnen geschwenkt. Es ist eine gewaltige Erleichterung zu spüren, es ist erst einmal auch egal, dass gleich die Nachricht kommt, dass Präsident Donald Trump die Wahl Bidens wegen der vielen Briefwahlstimmen und des knappen Ausgangs in mehreren Schlüsselstaaten nicht anerkennt. Auch Joe Cantor hat sich zu der Plaza aufgemacht, die vorne am hohen schwarzen Gitterzaun endet, der das Weiße Haus weiträumig schützen soll. Er ist 69 Jahre alt, aber diesen Festtag der Demokratie will er sich nicht entgehen lassen. Er hält zwei Pappschilder hoch, jubelt. Auf dem einen steht: „The End of an Error! – Das Ende eines Fehler“. Auf dem anderen: „The Real Majority has now spoken – die wahre Mehrheit hat jetzt gesprochen.“ Vor dem Aufkommen der Bürgerrechtsbewegung für mehr Schutz der schwarzen Bevölkerung kam man weit näher ran, doch seit den Protesten nach Floyds Tod infolge eines brutalen Polizeieinsatzes ist auch der Lafayette Park vor dem Präsidentensitz gesperrt. „Wir haben schlussendlich Amerika zurückerobert, von Leuten, die nie verstanden haben, was die Größe der Vereinigten Staaten ausmacht“, sagt Joe Cantor, während um ihn herum gesungen und auf Kochtöpfe geschlagen wird.

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