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Sobald man “Emir” hört, denkt man hierzulande an Christian Wulff. Und an den unglückseligen Anruf des damaligen Bundespräsidenten auf der Mailbox des damaligen Chefredakteurs der “Bild”-Zeitung („Bin gerade auf dem Weg zum Emir und deswegen hier sehr eingespannt”). Aber erstens war Wulff auf dem Weg zum Emir von Kuweit und nicht von Katar. Und zweitens ist der Emir von Katar jetzt selbst auf dem Weg. Und zwar zum Kanzler von Deutschland.
Am Donnerstag trifft Scheich Tamin bin Hamad Al Thani in Berlin auf Olaf Scholz. Ausgerechnet. Der Trip ist monatelang vorbereitet, aber seit Terroristen der palästinensischen Hamas Hunderte Israelis ermordet und über 100 entführt haben, liegt in diesem Besuch eine besondere Brisanz. Der Kanzler könnte ihn zum Anlass nehmen, eine Antwort auf die Frage zu geben, was er eigentlich konkret meint, wenn er sagt: „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson.” Das hat leider auch mit dem Emir von Katar zu tun. Denn zu den drei größten Unterstützern, auf die sich die palästinensische Terrorgruppe verlassen kann, gehören neben dem Iran und der Türkei – das Golfemirat Katar.
Seit zehn Jahren herrscht Tamin bin Hamad Al Thani hier. Er war gerade 33 Jahre alt, als er das Amt von seinem Vater übernahm übernahm, als seinerzeit jüngstes Staatsoberhaupt der Welt. Internat in England, Abschluss an der Militärakademie Sandhurst, zwei Frauen, 13 Kinder, 1,7 Milliarden geschätztes Privatvermögen – und ideologisch äußert flexibel.
Einerseits ist Katar wie die benachbarten Saudis dem strengen Wahhabismus verpflichtet, andererseits dem Westen nicht abhold. Es ist eine strategische Zweigleisigkeit, die sich beispielhaft am Nachrichtensender Al Jazeera zeigt, der seinen Hauptsitz in Katar hat: Während dessen eher liberales englischsprachiges Programm in weiten Teilen von BBC-geschulten Journalisten geprägt ist, versteht sich das in ganz Nahost populäre arabische Programm als Sprachrohr der radikal-islamistischen Muslimbruderschaft.