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Ampel-Aus: Lindner gegen Scholz oder Mann gegen Mann

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Christian Lindner sah sein Ministerium auf Augenhöhe mit dem Kanzleramt. So verhielt er sich dann auch. Zu der Ausnahmeerfah­rung eines Regierungsbruchs kam, dass es ein schmutziger war.
Seit Donnerstag, 14 Uhr, ist Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nur noch Christian Lindner (FDP). Das aber umso mehr. Der Parteivorsitzende will der nächsten Bundes­regierung wieder angehören, das machte er am Donnerstagmittag klar. Lindner, ohne Krawatte, wie um zu zeigen, dass er nun freier sei als noch am Vortag, sagte vor Journalisten in Berlin, die FDP werde bei der nächsten Bundestagswahl antreten, um Verantwortung für das Land zu übernehmen. Er selbst wolle wieder Bundesfinanzminister wer­den. „Ich beabsichtige nur für eine Übergangszeit, Oppositionspolitiker zu sein.“
Lindner wirkte klar, aber auch bewegt. Auf die Frage, mit welchen Gefühlen und Gedanken er am Morgen aufgewacht sei, sagte er nach einem Zögern, er befinde sich, wie man sich vorstellen könne, in einer „Lage“. Im Ausnahmezustand dürften alle Koalitionsspitzen sein. Zu der Ausnahmeerfah­rung eines Regierungsbruchs kommt, dass es ein schmutziger ist. Der Bundeskanzler hatte Lindner am Vorabend in einem Statement, das auch eine Abrechnung war, vorgeworfen, zu oft habe dieser sein Vertrauen gebrochen. Lindner mahnte nun „Stil in der Öffentlichkeit“ an, „damit die politische Kultur keinen Schaden nimmt“.
Doch welchen Anteil hat die FDP am Bruch der Regierung? Lindner sagte am Donnerstag, er müsse sich vorwerfen, in den vergangenen Jahren an entscheidenden Punkten nicht darauf bestanden zu haben, dass die Regierungspartner ihre Prioritäten klärten, vor allem nach dem Haushaltsurteil vor einem Jahr. Auch würden ihm andere vorwerfen, zu lange an der Regierung festgehalten zu haben. Dies sehe er anders. „Es war richtig, es so lange zu versuchen, wie es geht.“ Schließlich antwortete er auf eine Frage danach, welchen Anteil die FDP an stillosem Verhalten in der Ampel gehabt habe – es fiel der Name Kubicki –, es habe viele Einlassungen von allen Seiten gegeben, „die ich nicht gebraucht hätte“.
Die Verantwortung für die Eskalation der vergangenen Tage sieht Lindner beim Bundeskanzler. Schon am Sonntag, beim Vieraugengespräch im Kanzleramt, will Lindner Scholz angeboten haben, dass man gemeinsam Neuwahlen herbeiführen könne, wenn man in Sachen Wirtschaftswende nicht weiterkomme. Die FDP werde dann noch gemeinsame Beschlüsse mittragen, alle kämen geordnet aus der Sache raus. Dies habe der Kanzler abgelehnt. Darum habe man verabredet, weiter über den Haushalt und die Wirtschaftswende zu reden.
Zu Beginn der Woche hieß es aus Lindners Umfeld: „Wenn der Kanzler eine Idee hat, teilt er sie noch nicht mit uns.“ Man habe sich aber bemüht, zu erfahren, was die Idee sein könnte. Lindner sei rhetorisch regelrecht um den Kanzler herumgeschlichen, habe immer wieder nachgefragt, geradezu „sanft“ sei er gewesen. Auch Scholz und Habeck hätten sehr professionell, freundlich im Ton, unaufgeregt gesprochen. So sei man immer wieder im Kanzleramt zusammengetroffen, Montag, Dienstag, Mittwoch tagsüber – alle darum bemüht, die anderen nicht vor den Kopf zu stoßen. Man könnte auch sagen: lauernd. Wer verliert als Erster die Nerven?
Lindner machte in den Gesprächen deutlich, dass er mehr als einen „halben Meter“ Entgegenkommen von den anderen erwarte. Habecks von dieser Metapher begleiteten beachtenswerten Vor­schlag, die Intel-Milliarden für den Haushalt freizugeben, bewertete Lindners Ministerium kühl als nur „folgerichtig“. Das sollte wohl deutlich machen, dass man eher in Siebenmeilenstiefeln als Halbmeterschuhen unter­wegs sein müsse, und zwar in Lindners Richtung.
Am Dienstagnachmittag kam die FDP zu ihrer üblichen Fraktionssitzung zusammen. Teilnehmer berichteten der F.A.Z. anschließend, die Stimmung sei gut gewesen. Lindner sei „on fire“, ansteckend kämpferisch. Das habe auch dazu beigetragen, dass sein Grundsatzpapier, das am Freitag öffentlich geworden war, ohne Gegenstimme Fraktionsbeschluss wurde. Ein Abgeordneter erzählte, vor einer Woche habe er noch gedacht, zu neunzig Prozent gehe man aus der Ampel raus.

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