Die niedrigen Zinsen der EZB zwingen die ARD, ihre Pensionsstruktur zu verändern. Darüber hinaus will der Senderverbund im IT-Bereich ansetzen, um Kosten zu sparen.
Die ARD hat in den vergangenen Jahren Pläne entwickelt, um Einsparungen vorzunehmen. Die Pläne wurden von der damaligen ARD-Vorsitzenden Karola Wille maßgeblich vorangetrieben worden und unter anderem vor dem Wirtschaftsrat der CDU präsentiert. Die Ansätze zeigen, wie komplex die Strukturen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk geworden sind. Der MDR, dessen Intendantin Wille ist, hat den ARD-Vorsitz mittlerweile an den Bayrischen Rundfunk weitergegeben. Den Deutschen Wirtschaftsnachrichten erläutert Wille die Grundgedanken der angestoßenen Reform.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Sie haben eine breite Untersuchung veranlasst, um die Kosten der ARD zu analysieren. Was sind die Kernergebnisse?
Karola Wille: Wir haben im vergangenen Jahr keine Kostenanalyse vorgelegt, sondern ein Reformpaket, das mit tiefgreifenden Veränderungsprozessen die Chancen der Digitalisierung nutzt, um unser Publikum mit vielfältigen Qualitätsinhalten noch besser erreichen zu können und damit zugleich auch die Akzeptanz unseres gemeinsamen freien Rundfunks immer wieder neu zu festigen. Die Strukturreform, die im Kern den technologischen Wandel nutzt, dient einerseits der Effizienz bei der Wahrnehmung unseres Auftrags und hebt dadurch zugleich kurz- und längerfristige Einsparpotenziale. Am Ende wird die Optimierung programmstützender Prozesse zu wesentlichen Synergieeffekten führen. Die ARD wird sich inhaltlich zu einem crossmedialen, strukturell integrierten föderalen Medienverbund entwickeln. Die Inhalte werden also nach Möglichkeit medienübergreifend für TV, Radio, Netz und mobile Endgeräte recherchiert, konzipiert und produziert. Es geht ganz grundsätzlich darum, auch künftig den Beitrag eines unabhängigen, gemeinsamen, freien Rundfunks für den öffentlichen Diskurs und damit für den demokratischen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu sichern.
Die Strukturprojekte betreffen die Bereiche Verwaltung, Technik und Produktion. Die Strukturen hinter dem Programm sollen schlanker, die Zusammenarbeit als grundlegendes Prinzip verankert werden. Der crossmediale Umbau der ARD ist ein tiefgreifender Prozess, der viele Jahre in Anspruch nehmen wird. Insgesamt gehen wir von einem geschätzten Einsparvolumen aus den Strukturprojekten von 588 Mio. € bis 2028 aus.
Schlüsselprojekte sind eine gemeinsame IT-Strategie, standardisierte Software in der Verwaltung oder crossmediale Mediendatensysteme zur vereinfachten Archivierung.
Deutsche Wirtschaftnachrichten: Welches sind die größten Herausforderungen auf der Kostenseite der ARD?
Karola Wille: Die größte Herausforderung ist es, mit einer konsequent am gemeinwohlorientierten Auftrag ausgerichteten Finanzierung, die zuletzt unterhalb der Teuerungsrate lag, die digitale Transformation zu bewältigen. Das heißt Qualitätsangebote in allen relevanten Kommunikationsräumen zur Verfügung stellen, Öffentlichkeit in einer Welt zerklüfteter Teilöffentlichkeiten herstellen und den gesamtgesellschaftlichen Diskurs in unserer Gesellschaft befördern. Wir müssen unsere Rolle und Funktion für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung auch in der sich dynamisch verändernden Kommunikationswelt mit hoher Verlässlichkeit erfüllen. Die Digitalisierung ermöglicht es uns, unserer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft noch besser nachzukommen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ein Ergebnis können Sie ja schon vorlegen, und zwar auf der Seite der Betriebsrenten. Wie sieht das aus?
Karola Wille: Die Reform der betrieblichen Altersversorgung bei ARD und Deutschlandradio, die wir im Jahr 2017 nach vierjährigen Verhandlungen erfolgreich abschließen konnten, war zusätzlich eine große Herausforderung. Dank dieser Reform wird sich aus einem Einmaleffekt bei den Pensionsrückstellungen für das Jahr 2017 aber auch aus den laufenden Auswirkungen in den Folgejahren ein Entlastungsbetrag von rund 1 Mrd. € gegenüber der Vergangenheit ergeben.
Wie sich das ganz konkret auf den Finanzbedarf der Anstalten und somit auf die Höhe des Rundfunkbeitrags auswirkt, wird die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) in ihrem 22. Bericht prüfen. Dass wir hier auf dem richtigen Weg sind, hat die KEF in ihrem 21. Bericht hervorgehoben und schreibt dort: „Die Kommission sieht vor allem in der vereinbarten Begrenzung der Dynamisierung der laufenden Renten einen wesentlichen Beitrag zur langfristigen Konsolidierung der Altersversorgung bei den Rundfunkanstalten. Positiv bewertet sie auch den neuen Beitragstarifvertrag (BTVA), der zu einer erheblichen Einsparung gegenüber den bestehenden Versorgungssystemen führt“.
Mit dem neuen Tarifvertrag fällt die Rentensteigerung zukünftig in der Regel einen Prozentpunkt geringer aus als die Gehaltssteigerung. Damit wird ein vergleichbarer bilanzieller Einspareffekt wie mit der Ein-Prozent-Dynamisierung des Öffentlichen Dienstes für Angestellte erreicht.
Gleichzeitig treten mit der Einigung bei der Rentendynamisierung zwei weitere Änderungen in Kraft: Zum einen beim Versorgungstarif (VTV) im Zuge der „Rente mit 67“ und zum anderen mit dem neuen beitragsorientierten Tarifvertrag (BTVA) für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab 2017. Und wichtig: Die beitragsorientierte Versorgung befreit die Rundfunkanstalten von den Kostenrisiken aus Zinsentwicklung und steigender Lebenserwartung, mit der alle Versorgungswerke zu kämpfen haben.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Sind Sie mit dieser Regelung der Beschränkung für neue Mitarbeiter auf der sicheren Seite?
Karola Wille: Wir sind insoweit auf der sicheren Seite, als dass wir eine tarifvertragliche Einigung mit den Gewerkschaften für die nächsten 15 Jahre erreicht haben, die zukünftig zu einer erheblichen Entlastung bei den Aufwendungen der betrieblichen Altersversorgung führt.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Auswirkungen hat die Niedrigzinspolitik der EZB?
Karola Wille: Die Niedrigzinspolitik der EZB hat dazu geführt, dass die Landesrundfunkanstalten jedes Jahr deutlich höhere Aufwendungen für die Altersversorgung der Mitarbeiter haben als in früheren Jahren, in denen die Zinserträge höher lagen.