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Wie die USA Siemens zerlegten und die Bundesregierung hilflos zusehen musste

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Der Fall Siemens zeigt, wie die USA mit einer konzertierten Aktion ein deutschen Unternehmen zu Fall bringen können. Die Bundesregierung musste bei der Demontage ohnmächtig zusehen.
Heinrich von Pierer, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG von 1992 bis 2005 und Aufsichtsratsvorsitzender von 2005 bis April 2007, musste aufgrund der langjährigen, nachgewiesenen Bestechungspraxis des Unternehmens, zur Erlangung von vornehmlich öffentlichen Aufträgen, zurücktreten. Diesem Schritt waren fast zwei Jahre Ermittlungen unter der Ägide des amerikanischen Justizministeriums und der amerikanischen Börsenaufsicht SEC vorausgegangen. Die Ermittlungen starteten Mitte November 2006 mit der Hausdurchsuchung deutscher Staatsanwälte in München und endeten im Dezember 2008 mit der Verhängung einer Geldstrafe von 600 Mio. Euro. Die Anklageschrift des amerikanischen Justizministeriums belegte, dass im Laufe der internen Untersuchungen, fragwürdige Zahlungen in Höhe von 1, 3 Milliarden im Zeitraum von 2000 bis 2006 aufgedeckt worden waren. Die Ermittler stießen auf rund 4.300 illegale Zahlungen und protokollierten an die 330 dubiose Projekte, um durch Bestechungsgelder an Aufträge zu gelangen. Die Fälle reichen von Venezuela, über Israel, Nigeria, China, Argentinien, Mexiko, Russland bis nach Vietnam.
Am 15. November 2006 durchsuchte die Münchner Staatsanwaltschaft dreißig Siemens-Büros in Deutschland und Österreich und brachte mit dieser Großrazzia den wohl bekanntesten, deutschen Schmiergeldskandal ins Rollen. Auslöser für die Razzia war der Verdacht der Untreue.
Bis zu diesem Zeitpunkt war der Fall Siemens ohne Beispiel in der deutschen Wirtschaft. Amerikanische Anwaltskanzleien hatten die Federführung bei den Ermittlungen gegen den deutschen Technologiekonzern übernommen. Auf Empfehlung des amerikanischen Justizministeriums wurde im Dezember 2006 die U. S. Kanzlei Debevoise & Plimpton beauftragt. Der Kanzlei werden gute Verbindungen zu amerikanischen Regierungsstellen attestiert.
Bruce Yannett war der Mann, der bei Debevoise & Plimpton für Siemens tätig sein sollte. Yannet gilt als typischer Vertreter einer Karriere, die mehrmals zwischen staatlicher und privater Anstellung wechselte. Dies ist in der amerikanischen Administration nicht unüblich und wird “Drehtür-Effekt” genannt. Yannett hatte schon sehr frühzeitig Bekanntschaft mit dem FBI, CIA, dem Justizministerium und den politischen Gepflogenheiten rund um Ausschusstätigkeiten im Kongress gemacht. Er gehörte zu jenem Juristenteam, das die Iran-Contra-Affäre der Reagan Regierung untersuchte. Es ging um Gelder der CIA aus illegalen Waffenkäufen, die dann an die Contras Nicaraguas weitergeleitet wurden. Der richtige Mann also, um Siemens vor dem Zugriff der amerikanischen Behörden zu schützen, glaubte man in der Vorstandsebene von Siemens.
Fast zwei Jahre später, nach Vorliegen des Abschlussberichtes durch das Justizministerium wird es heißen: „Der Umfang von Siemens-internen Untersuchungen war beispiellos“. Unterstützt wurde die Kanzlei von Deloitte Touche, einer Firma mit Hauptsitz in New York. Sie zählte zur Zeit der Beauftragung zu einer der vier umsatzstärksten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
In Europa operierende, amerikanische Nachrichtendienste, wie NSA, CIA oder DIA, aber auch FBI arbeiten sehr eng miteinander, trotz gegenseitiger Konkurrenz und Mankos in der Informationsweitergabe. Die Zielsetzung liegt auf der Hand, sowohl die nationale Sicherheits- und Interessenlage zu schützen, als auch die wirtschaftliche. Die technische Aufklärung im Wirtschaftsbereich richtet sich nicht nur gegen Unternehmen, die gegen internationale Regeln verstoßen, wie dies bei einer Umgehung eines Embargos oder beim Verdacht der Bestechung der Fall ist. Spionage gegen Wirtschaft und Unternehmen hat noch einen weitreichenderen Hintergrund, sofern Nachrichtendienste die Akteure sind. Es geht den Diensten klassisch darum, überführte Unternehmen für eine nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zu gewinnen. Dem Unternehmen bleibt nichts anderes übrig, als mit einem Nachrichtendienst zu kooperieren.
In einem Interview Ende Jänner 2014 gegenüber dem ZDF erklärte der ehemalige NSA und spätere CIA Direktor Michael Hayden, dass die USA großes Interesse an der Industriesteueranlagentechnik von Siemens haben. Für den amerikanischen Nachrichtendienst sei es relevant, wenn Siemens „programmierfähige, logische Steueranlagen für die Uranverarbeitung“ herstelle.
Hintergrund ist der Fakt, dass diese Technik für Urananreicherungsanlagen im Iran zum Einsatz kommt. Mitte 2010 wurde bekannt, dass ein hoch entwickelter Computerwurm, später bekannt unter dem Namen Stuxnet, die Anreicherung des Urans, und damit die Entwicklung des Atomprogramms, nachhaltig gestört hatte.

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