In Hamburg sieht sich Erdogan lieber als Präsident eines Schwellenlandes – es geht weniger ums Klima, sondern ums Geld.
Meistens ist Recep Tayyip Erdogan stolz darauf, dass die Türkei in seiner Regierungszeit zu einer der 20 wirtschaftsstärksten Nationen der Welt geworden ist. Aber das gilt nicht immer. Wenn mit dem Titel der „Industrienation“ finanzielle Pflichten verbunden sind, will Erdogans Türkei lieber ein Schwellenland bleiben. Deshalb stellt der Präsident nun die Zustimmung seines Landes zum Pariser Klimavertrag in Frage. Nicht nur in der Klimapolitik rückt Erdogan von Europa ab.
So machte Erdogans Auftritt beim G20-Gipfel deutlich, dass sein Dauerstreit mit Deutschland auch nach einem persönlichen Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel am Rande der Konferenz nach wie vor nicht ausgestanden ist. Bei seiner abschließenden Pressekonferenz beschwerte sich Erdogan darüber, dass ihm die deutschen Behörden keine Möglichkeit gegeben hätten, in der Bundesrepublik eine Rede vor Türken zu halten. Dies hatte er vor seiner Reise nach Hamburg gefordert – doch Berlin winkte ab.
Nachdem sie sein Recht auf freie Meinungsäußerung auf diese Weise verletzt hätten, dürften deutsche Politiker fortan nicht mehr von Freiheitsrechten sprechen, schimpfte Erdogan. Beim türkischen Staatspräsidenten sagten die Deutschen Nein – dagegen dürfe die Führung der kurdischen Terrororganisation bei Demonstrationen in der Bundesrepublik per Videoschaltung ihre Botschaften verbreiten.
Die Gräben zwischen Erdogan und Merkel wurden auch bei anderen Themen deutlich. Nach dem Putschversuch in der Türkei vor einem Jahr fänden Anhänger der Aufrührer Zuflucht in Europa, kritisierte Erdogan mit Blick auf Gefolgsleute des Predigers Fethullah Gülen. Der türkische Präsident rechtfertigte zudem den Druck auf Andersdenkende in der Türkei.