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Der Wahrnehmungsfetischist

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Von den Tücken des Gelingens und vom Scheitern als Lebenskunst: Der Schriftsteller Wilhelm Genazino ist im Alter von 75 Jahren gestorben.
Als Wilhelm Genazino vor ein paar Jahren seine Manuskripte, Fotos, Korrespondenzen und Tagebücher dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach übergab, bekannte er, seit längerer Zeit bereit dafür zu sein, „mich an mein Verschwinden als Autor und Person zu gewöhnen.“ Genazino stand zu dieser Zeit kurz vor Vollendung seines 70. Lebensjahrs, da kann man so eine Aussage schon einmal machen – und doch könnte das genau so gut einer seiner zumeist in der Mitte ihres Lebens sich befindenden Romanhelden gesagt haben.
Einer der vielen Melancholiker, Scheiterer und Unglücksraben, die Genazinos Romanwelt bevölkern, in der Regel Männer, ganz selten auch Frauen, die sich in allerlei Alltagsnöten befinden. Die diese aber mit einer gewissen Gelassenheit ertragen: Das Scheitern erheben sie zu einer Lebenskunst. So wie zum Beispiel Gerhard Warlich, der 41-jährige Leiter einer Großwäscherei, aus „Das Glück in glücksfernen Zeiten“, der irgendwann in der Psychiatrie landet und konstatiert: „Ich wundere mich, warum meine Melancholie und der Rest der Welt so gut zueinander passen.“
Dass das Glück nicht unbedingt zum Leben dazu gehört, genauso wenig wie eine „jederzeit verfügbare Lustigkeit“, es immer gelte, „der herrschenden Glückssucht“ etwas entgegenzusetzen, das gehörte zu den Maximen des Schriftstellers Wilhelm Genazinos. Diese schien er umso mehr zu vertreten, nachdem er 2001 durch das damals noch sehr einflussreiche Literarische Quartett für ein größeres Publikum mit dem Roman „Ein Regenschirm für einen Tag“ entdeckt worden war und drei Jahre später mit dem Georg-Büchner-Preis auch die höchste literarische Auszeichnung des Landes verliehen bekommen hatte.
Seine Reaktion darauf war zurückhaltend. Natürlich war er verblüfft, auch begeistert. Doch fragte er sich, warum ausgerechnet er ausgewählt worden sei, denn „die Bücher, die ich jetzt schreibe, ähneln denen vor 15 Jahren“, wie er seinerzeit in einem Interview bekannte. Oder auch denen, könnte man sagen, die danach in schöner Regelmäßigkeit alle zwei, drei Jahre und mit einem maximalen Umfang von 150,160 Seiten folgen sollten.

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