Exklusiv
Ulrich Maly spricht nach fünf Jahren Flüchtlingskrise über die Herausforderungen der Kommunen und über die Berliner Politik, die “den Deppen in den Rathäusern” sagen …
Exklusiv Ulrich Maly spricht nach fünf Jahren Flüchtlingskrise über die Herausforderungen der Kommunen und über die Berliner Politik, die “den Deppen in den Rathäusern” sagen will, wie es geht. Herr Maly, Sie waren 18 Jahre lang Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg. Vor fünf Jahren haben Sie die Flüchtlingskrise und ihre Folgen hautnah miterlebt. Damals sagte Kanzlerin Angela Merkel “Wir schaffen das”. Haben wir es geschafft? Ulrich Maly: Nein, wir haben es noch nicht geschafft. Aber ich glaube, dass wir es schaffen werden, da war und bin ich bei der Kanzlerin. Ich halte es für falsch, wenn man mit einem Grundpessimismus an politische Probleme herangeht. Woher nehmen Sie Ihre Zuversicht? Maly: Nürnberg und auch Augsburg sind Städte, die über 60 Jahre Erfahrung mit Zuwanderung und Integration haben, schließlich sind vor rund 60 Jahren die ersten Gastarbeiter zu uns gekommen. Wir haben gelernt – was richtig ist und was wir falsch gemacht haben. Zum Beispiel? Maly: Was wir damals falsch gemacht haben – und das machen wir gerade wieder falsch – ist, nicht genügend Deutschkurse anzubieten. Und dass die Verantwortlichen bei den Kommunen, die Arbeitgeber und Sozialarbeiter nicht darauf bestehen, dass diese Kurse länger besucht werden, damit die Sprache tatsächlich gut genug gelernt wird. Ich sage immer: Ziel muss es sein, so gut Deutsch sprechen zu können, dass du dich mit deinem Nachbarn so richtig darüber streiten kannst, wer schon wieder den Deckel der Mülltonne offen gelassen hat. Dann bist du Teil der Gesellschaft. Gute Sprachkenntnisse sind aber nicht alles, oder? Maly: Man braucht sozusagen Hardware und Software, damit Integration funktionieren kann. Mit Hardware meine ich zum Beispiel Plätze in Kindertagesstätten, Integrationsklassen, Ausbildungen, Jobs und Wohnungen. Die Schulen haben nach anfänglichem Stolpern einen grandiosen Job gemacht, gerade in Bayern. Dafür ist das Thema Wohnen nach wie vor ein großes Problem, weil es einfach immer schwieriger wird, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Und was meinen Sie dann mit Software? Maly: Das sind für mich zwei weiche Faktoren. Erstens: die Kontakthäufigkeit zwischen den Zugewanderten und der deutschen Bevölkerung. Da sagen viele Flüchtlinge immer noch, dass sie eigentlich keinen Kontakt zu Deutschen haben. Viele bleiben unter sich. Es gibt keine Flüchtlingskinder bei den Faschingsgarden und bei der Freiwilligen Feuerwehr. Und zweitens? Maly: Damit meine ich die Seelenlage der Deutschen, dazu gibt es eine Reihe an Untersuchungen. Die wenigsten Bürger sagen heute noch: Ich habe schreckliche Angst vor Flüchtlingen. Zwei Drittel folgen eher der Kanzlerin und sind zuversichtlich, dass wir das hinkriegen. Ulrich Maly: “Ich glaube, dass die Flüchtlingszuwanderung auf subjektiver Ebene emotionale Urängste geweckt hat” Wie schlimm war denn die Flüchtlingskrise für die Deutschen im Vergleich zur Wirtschaftskrise oder zur Corona-Krise? Maly: Ich glaube, dass die Flüchtlingszuwanderung auf subjektiver Ebene für die Menschen eine der großen Krisen war, weil sie emotionale Urängste geweckt hat – wie Tschernobyl damals, wie Corona heute. Da ist etwas, von dem du dich subjektiv bedroht fühlst, gegen das du dich aber nicht wehren kannst. Aber objektiv wird die Klimakrise mit Sicherheit zu einem um Dimensionen größeren Problem, dessen Auswirkungen wir aber noch nicht so individuell direkt spüren. Erinnern wir uns zurück an die Fernsehbilder, als tausende Flüchtlinge jeden Tag nach Bayern kamen und viele Deutsche sie jubelnd an den Bahnhöfen begrüßt haben. Das war eine richtige Euphorie.
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Deutschland — in German Nürnbergs Ex-OB Maly: "Der fehlende Respekt hat mich geärgert"