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Am Ende des Tunnels

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Der Mensch denkt, aber Gott lenkt: Über die fatale Sehnsucht der Deutschen nach Perspektive.
Gut, dass Graciano „Rocky“ Rocchigiani, ein oft belogener und betrogener Boxchampion, Corona nicht mehr miterleben muss – sonst wäre auch noch sein Lebensmotto k.o. gegangen: „Wat braucht der Mensch außer Glotze gucken? ’N bisschen bumsen, ’n bisschen Anerkennung.“ Seit dieser Woche nämlich wissen wir, was der Mensch wirklich braucht: Perspektiven. Öffnungsperspektiven. Warum die Sache allerdings gar nicht so einfach ist, erklärte naturgemäß (nachträglich alles Gute zum 90., Thomas Bernhard!) Markus Söder: Zumachen erfordere Mut, Öffnen Klugheit, deswegen sei Ersteres leichter – ein Satz, der, um Nachdenklichkeit unter den Zuhörern zu erzeugen, in jede Ansprache zum Bau oder Fall der Berliner Mauer gehört. Der Mensch braucht also ein Ziel, Planungssicherheit oder wenigstens die Wenn-dann-Regeln der FDP. Der Sozialismus mit seinen Fünfjahresplänen hat dieses Bedürfnis recht konkret befriedigt oder es zumindest versucht. Im Zweifel helfen aber auch sehr abstrakte Perspektiven. So soll die Aussicht, dass den 72 Jungfrauen im Paradies angeblich auch „körpernahe Dienstleistungen“ erlaubt sind, schon manchen über momentane Kontaktverbote hinweggetröstet haben. Aber wie heißt es so schön: Der Mensch denkt, und Gott lenkt. Auf unsere Pandemiesituation bezogen, bedeutet das: Wenn die Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 ist und wir endlich wieder shoppen gehen könnten, wir aber einen Tag vorher schon auf der Probefahrt zur Shoppingmall ins Paradies geholt werden, dann bringt die ganze Perspektive nichts.

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