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Nach Erdogans Sieg im Parlament: Will das Volk das Präsidialsystem?

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NewsHubDie Szenen aus dem türkischen Parlament veranlassen sogar Ministerpräsident Binali Yildirim dazu, die Abgeordneten zur Räson zu rufen. Kurz zuvor hat sich die Parlamentarierin Aylin Nazliaka aus Protest gegen das von Staatschef Recep Tayyip Erdogan vorangetriebene Präsidialsystem ans Rednerpult gekettet, und zwar mit Handschellen. Daraufhin ist eine wüste Schlägerei zwischen Parlamentarierinnen der Opposition und der AKP-Regierungsfraktion entbrannt, eine Abgeordnete verliert ihre Armprothese, Haare fliegen.
Unter den prügelnden Parlamentarierinnen ist Gökcen Enc von der AKP, die wenige Tage zuvor im Parlament ein «Hunde verboten»-Schild in die Kameras gehalten hat. Der Grund dafür: Einer ihrer AKP-Kollegen wirft einem Oppositions-Abgeordneten vor, ihm bei einer Massenschlägerei während der Debatte ins Bein gebissen zu haben. Wer sich bei den handfesten Auseinandersetzungen ums Präsidialsystem am Ende durchsetzen würde, zeichnete sich bereits ab: Erdogan, der heimliche Anführer der AKP, der Partei bald auch formal wieder vorstehen dürfte – wenn alles weiter nach seinem Drehbuch läuft.
Bislang verbietet die Verfassung dem Präsidenten, einer Partei anzugehören. Das Ende dieses Verbots ist nur ein Teil der Verfassungsreform, der das Parlament am frühen Samstagmorgen mit der notwendigen Dreifünftelmehrheit zugestimmt hat. Diese Mehrheit ist ein erneuter Beweis für Erdogans riesigen Einfluss: Ihm ist es gelungen, Teile der ultranationalistischen Oppositionspartei MHP auf seine Seite zu ziehen – obwohl diese Abgeordneten damit nicht nur für die Entmachtung des Parlaments stimmten, sondern auch die Zukunft ihrer Partei in Frage gestellt haben dürften.
Die Reform – die nun noch durch ein Referendum muss – wäre der tiefste Einschnitt im politischen System der Türkei seit Jahrzehnten.

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