Diplomatisch bleiben, protestieren oder hinter den Kulissen agieren? Die Türkei-Politik steckt in der Krise. Anne Wills Gäste diskutierten, wie das Dilemma um die Meinungsfreiheit zu lösen sein könnte.
Die Gäste
Darum ging’s
Nach Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel und der Absage eines Wahlkampfauftrittes verschärft sich die diplomatische Krise zwischen Berlin und Ankara. Recep Tayyip Erdogans Nazi-Vorwurf ist ein weiterer Tiefpunkt. Sollen solche Auftritte türkischer Politiker in Deutschland verboten werden? Hat sich Deutschland durch das Flüchtlingsabkommen mit Präsident Erdogan erpressbar gemacht? Anne Will möchte darüber sprechen, welche Strategien in der schwierigen Situation angebracht sind.
Darum ging’s wirklich
Klare Kante zeigen, Einreiseverbote aussprechen und Auftritte türkischer Wahlkämpfer verbieten oder nichts tun und im Gespräch bleiben? Anne Wills Runde wollte die Diplomatie nicht über Bord werfen. Politiker und Journalisten diskutierten, wie es zu der Verschlechterung der Beziehungen kam und welche Reaktion Sinn ergibt: Wie kann man im Dilemma um die Meinungsfreihet den eigenen Werten treu bleiben?
Der Frontverlauf
Klar verurteilten anfangs sowohl Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) als auch CDU-Politiker Armin Laschet die Nazi-Vergleiche Erdogans. “Wenn Erdogan uns weiter als Naziland beschimpft, ist er hier unerwünscht”, sagt Laschet. Trotzdem sei es sinnvoll, zu deeskalieren und abzuwägen. Der Status eines abgewiesenen Märtyrers würde Erdogan eher helfen. Maas nennt die Nazi-Äußerungen “abstrus und infam”, hält sie aber vor allem für eine Provokation. Von oben angeordnete Einreiseverbote hält er für falsch, da sie das Verhältnis nur weiter verschlechtern und zu einem Stillstand der Gespräche führen würden.
Auch die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen will den Dialog nicht abbrechen. Dennoch sieht sie die Gefahr, dass “Deutschland zur Wahlkampfarena der türkischen Despotie wird. Wenn die Opposition in der Türkei eingekerkert ist, und selbst Informationsstände der Opposition verboten sind, kann ich doch nicht sagen, ich bin für Meinungsfreiheit, damit dort die Diktatur eingeführt werden kann”, beschrieb sie den Widerspruch. “Als Demokraten dürfen wir nicht zusehen, wie dort eine Demokratie abgeschafft wird. ” Ihrer Ansicht nach sollte die Bundesregierung Mut zeigen und den türkischen Wahlkampf in Deutschland unterbinden.
Heiko Maas verteidigte die Arbeit der Regierung, die durchaus Stellung bezogen habe. Nur wenn man im Gespräch bleibe, könne man den Türken auch die Meinung sagen. Dagdelen ereiferte sich: “Die Politik der Leisetreterei hat doch diesen Scherbenhaufen provoziert. ” Man müsse konsequent wie Niederländer und Österreicher Wahlkampfauftritte ablehnen. Die Bundesregierung müsse ein rote Linie ziehen und sagen, dass eine Diktatur keinen Platz in der EU habe.
“Rederecht zu erteilen, ist nicht Aufgabe des Staates”
Günter Verheugen, der als Erweiterungskommissar der EU lange mit der Türkei verhandelt hat, fände es souveräner, wenn die Bundesregierung es nicht den Landräten und Bürgermeistern überließe, Entscheidungen zu treffen.