Mit den Sozialdemokraten könnte Kanzlerin Merkel nach dem Jamaika-Aus Neuwahlen noch verhindern.
Berlin (dpa) – Nach der denkwürdigen Jamaika-isch-over-Nacht dauert es nur ein paar Stunden, bis Martin Schulz das Staatsoberhaupt an der Strippe hat. Frank-Walter Steinmeier muss auch nicht lange nach der Nummer fragen.
Schließlich kennen und duzen sich die Genossen seit Jahrzehnten. Doch nun nehmen sie zwei unterschiedliche Rollen ein. Bundespräsident Steinmeier muss schauen, wie Deutschland nach dem Abgang der FDP aus den Sondierungen handlungsfähig bleibt. Schulz hat plötzlich wieder eine Groko-Debatte am Hals, die Partei nach der Wahl vor acht Wochen zunächst hinter sich wähnte. Steinmeier und Schulz verabreden sich in dem kurzen Telefonat, am Mittwoch Auge in Auge über Minderheitsregierung, Neuwahlen, staatspolitische Verantwortung und so weiter zu reden.
Der SPD allerdings unterläuft dann ein diplomatisches Foulspiel. Noch bevor der Bundespräsident nach seinem Gespräch mit der Kanzlerin die Chance erhält, alle Parteien bei der Ehre zu packen, miteinander zu reden und mögliche Einigungen auszuloten, preschen die Genossen mit ihrem Beschluss vor, keine große Koalition einzugehen und auf Neuwahlen zu setzen.
Aber der Reihe nach. Montag, 14.00 Uhr, im Willy-Brandt-Haus. Mit strammen Schritten marschiert Schulz auf das Pult vor der roten Wand zu. Er trägt einen eng geschnittenen grauen Anzug zu einer weinroten Krawatte. Der 61-Jährige ist konzentriert. Die Sätze sitzen. Keine Spur dieser Gereizt- und Unsicherheit, die Schulz während des Wahlkampfes und danach an den Tag legte. Es wird in den nächsten zwei Wochen auch für den Mann aus Würselen um viel, vielleicht um alles gehen. Da befindet er sich mit Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer in bester Gesellschaft.
In der Parteispitze wird nach dem FDP-Hammer durchaus lebhaft diskutiert, wie die SPD auf das Ende der Jamaika-Sondierungen reagieren soll. Johannes Kahrs vom konservativen Flügel warnt vor zu schnellen Festlegungen und meint, die SPD solle erst einmal im Spiel bleiben. Kein Geheimnis ist, dass Sigmar Gabriel liebend gerne weiter mit der Union regieren und Außenminister bleiben würde. Doch der Ex-Parteichef, mittlerweile einer der härtesten Kritiker seines früheren “Freundes” Schulz, wird am Montag nicht gefragt.