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Lappland: An Bord eines Eisbrechers

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Im kälteklirrenden Norden Finnlands gehen Passagiere nicht nur an Bord eines Eisbrechers. Um den Nervenkitzel zu steigern, werden sie auch noch ins gefrierende Wasser geschickt.
Das Schiff fängt bedrohlich an zu vibrieren. Hinauf, hinunter, rechts, links. Kenneth Hermansson eilt zum Fenster und beobachtet das endlose Weiß, durch das sich der Polar Explorer mit seinen fast 10.000 PS frisst. Nur scheinbar liegt es ruhig da. „Das Eis ist immer in Bewegung“, erklärt der Kapitän. Und kann gefährlich werden, wenn man nur eine Sekunde nicht aufpasst.
An Bord eines Eisbrechers zu gehen gehört in Lappland zu den spektakulärsten Unternehmungen, die man als Tourist machen kann. Rentierschlittenfahren? Schön, aber verträumt. Sich von einem kläffenden Rudel Huskys um kleinwüchsige Birken ziehen lassen? Auch nicht schlecht, aber nicht jedermanns Sache, weil die Hunde ihren eigenen Willen haben. Mit dem Motorschlitten umherknattern? Gut für’s James-Bond-Punkte-Konto, aber ganz schön laut. Mit dem Schiff auf der gefrorenen Ostsee umhercruisen? Das ist schon ein ganz anderes Kaliber.
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Als Erste bot einst die Sampo Passagieren die Gelegenheit zum Eisbad. – Visit Finland Am Morgen sammelt der Kleinbus die Leute in Rovaniemi ein, der ein paar Kilometer südlich des Polarkreises gelegenen Hauptstadt von Finnisch-Lappland. Knapp fünf Stunden dauert die Anreise bis zum Anleger auf schwedischer Seite, inklusive einer Mittagspause im Ort Kukkola, durch den die Grenze beider Länder verläuft. Auf die Unterbrechung hat vor lauter Spannung keiner so recht Lust. Mit jedem Kilometer trübt sich die Laune.
Draußen zieht ein immer gleiches Bild aus schneebedeckten Bäumen, grauen Himmelfetzen und schmutzigem Straßenrand vorbei. „Im Grunde ist das Wetter perfekt“, versucht Yarden Keynan, Begleiter von Polar Explorer, die Stimmung aufzuhellen. Schließlich könnten auch ein fürchterlicher Schneesturm herrschen und die Temperatur auf minus 40 Grad fallen. Keine Reaktion unter den Mitfahrenden, die mit hängenden Köpfen vor sich hindämmern oder auf ihre Smartphones eintippen. Dann endlich die Worte, die reanimieren: „Gleich sind wir da!“ Und als zwischen den Ästen etwas Großes, Rotes aufblitzt und sich schnell zu einem Schiffsbug zusammensetzt, gibt es kein Halten mehr. Noch bevor der Bus steht, springen die Gäste wie nach einem langen Flug auf. Als die Tür aufzischt, platzen alle aus dem Bus.
Ein tiefes Brummen liegt in der Luft, aus den Abgasrohren des Polar Explorer, Baujahr 1976, entweichen kontrastreich dunkle Wolken, als alle Mann über die Gangway auf das von Schmiere und Schneeresten glitschig gewordene Hinterschiff eilen. So weit das Auge reicht, erstrecken sich zur „offenen“ See nur Eis und Weiß. Rund 25 Passagiere sind an diesem Tag mit an Bord, als die Leinen losgemacht werden. Ein Glücksfall, denn es könnten sich auch bis zu 150 auf dem knapp 80 Meter langen Schiff drängen.
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Nordlicht in Finnisch-Lappland – Visit Finland
Beim Ablegen setzen die Schiffsschrauben die Eisschollen im kleinen Hafenbecken in Bewegung. Kurz darauf gleitet der Polar Explorer unter dumpfem Klackern entlang der Fahrrinne, die er tags zuvor freigeräumt hat und die jetzt schon wieder eine Schicht überzieht. „Der Bug ist verstärkt und kann Eis einer Dicke von über einem Meter brechen“, erläutert Yarden Keynan. „In der Fahrrinne ist es jetzt vielleicht wieder zehn oder 20 Zentimeter dick. Gleich aber werden wir querfeldein fahren.“
Im Winter nimmt der Polar Explorer Touristen mit, genauer: Er bricht das Eis nur noch für Touristen. Zuvor war er im offiziellen Einsatz, um für den Schiffsverkehr in der Bottnischen Bucht, dem oberen Ende des Bottnischen Meerbusens, die Fahrtwege freizuhalten. Doch heute sind die Kähne ausladender denn je, und auch ein 14 Meter breiter Eisbrecher genügt nicht mehr, um passierbare Schneisen zu schaffen.

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