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Annegret Kramp-Karrenbauer: Merkels Coup

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So gelöst hat man Merkel schon lange nicht gesehen. Ihr Coup ist gelungen. Annegret Kramp-Karrenbauer wird als Generalin aus dem Saarland nach Berlin wechseln. Alle verstehen das in der CDU als Signal – aber nicht jedem gefällt es.
Manchmal sind Personalentscheidungen ein Versuch, aber manchmal sind sie eine klare Ansage.
Am Montagfrüh verabschiedet sich der Versuch.
„Es war mir eine Ehre“, schreibt Peter Tauber auf seinem Blog. Vor vier Jahren hatte Angela Merkel den Hessen zu ihrem Generalsekretär berufen, ein Experiment mit der Jugend, das nicht so richtig aufging.
Wenig später taxiert die Ansage vom Podium im Konrad-Adenauer-Haus aus den neuen Wirkungskreis. Die Journalisten murmeln verblüfft und anerkennend. Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich zur Feier des Tages ein Kleid mit einem blendend neonpinken Oberteil ausgesucht. „Graue Maus – vergesst es gleich!“ schreit das Kleid. Merkel lächelt. Der Coup ist gelungen.
Und ein Coup ist es. Keiner hat damit gerechnet. Die Saarländerin Kramp-Karrenbauer ist 55 Jahre alt, die erfahrendste Ministerpräsidentin der CDU und seit ihrem Wahlsieg vor einem Jahr mit sagenhaften 40,7 Prozent obendrein ihre erfolgreichste. So jemand kommt vielleicht als Minister nach Berlin. Aber als General? Vom autarken Staats- in ein dienendes Parteiamt? Dorthin, wo normalerweise junge Leute sich warmlaufen?
Es war aber ihre eigene Idee. Die CDU-Chefin und ihre künftige rechte Hand erzählen freimütig, wie sie gemeinsam nach Wegen gesucht haben, die Frau von der Saar in die Bundespolitik zu befördern. Ein Posten im Kabinett wäre in Frage gekommen. Allerdings sitzt dort schon Peter Altmaier. Zwei Minister aus dem Zwergstaat am Westrand der Republik – das wäre schwierig gewesen. In der föderalen CDU achten die Landesverbände sehr auf Ausgewogenheit. Außerdem hatte sich der CDU-Landesvorstand an der Saar selbst vorgenommen, den eigenen Mann nicht zu beschädigen: „Peter Altmaier first“, fasste Kramp-Karrenbauer den Beschluss damals zusammen.
Sie kam dann selbst auf den Ausweg. Auswege finden ist eine ihrer Spezialitäten. „Mich hat diese Idee sehr berührt“, sagt Merkel, „weil das alles andere als selbstverständlich ist.“ Und wo sich so viel Glück anbiete, „hab’ ich dieses Glück beim Schopfe gefasst.“ Sie schaut herüber zu dem schwarzen Kurzhaar-Wuselschopf links neben ihr. Beide lächeln. Kramp-Karrenbauer, Kurzform AKK, zählt seit langem zu Merkels Vertrauten. Die zwei teilen eine nüchtern-pragmatische Weltsicht, einen messerscharfen Verstand und einen ironischen Humor, der in kleinem Kreis wie aus dem Nichts aufblitzen kann.
Kramp-Karrenbauer selber findet die Überraschung denn auch gar nicht überraschend, sondern geradezu logisch. Deutschland stecke in einer der schwierigsten Phasen seiner Geschichte, die Volksparteien ebenso. Da könne man nicht nur „man sollte, man müsste mal“ sagen, sondern müsse ein Zeichen setzen und sich in den Dienst der Partei stellen. Eine Grundsatzdebatte will sie organisieren – nicht als Ablenkungsmanöver, damit die Chefin in Ruhe regieren kann, sondern ganz im Ernst und „von der Basis an die Spitze“. Alle Wurzeln wolle sie stärken, die konservative wie die soziale und die liberale. Es gehe um Erneuerung und Selbstvergewisserung.
Ob sie denn auch ein Angebot habe für die Konservativen? Kramp-Karrenbauer guckt den Fragesteller durch ihre dunkelrandige Brille an. Von Schubladen, sagt sie, halte sie gar nichts. Tatsächlich passt sie selbst in die gängigen Schubfächer nur schwer hinein. Einerseits gilt die Juristin aus der Stahlstadt Völklingen als merkelianische Erneuerin, die fest davon überzeugt ist, dass die CDU nur in einer sehr breiten Aufstellung Volkspartei bleiben kann und nicht im Rückzug auf vermeintliche Traditionslinien.
Wie ihr Förderer Peter Müller zählt sie außerdem zum Sozialflügel ihrer Partei. Da landet man aber ganz automatisch in einem Bundesland, das auch nach dem Ende des Bergbaus von Kohle und Stahl und kleinen Leuten in kleinen Dörfern und Städten geprägt bleibt.
Andererseits: eine Konservative, Katholikin, gegen die „Ehe für alle“, von 2000 bis 2004 erste Innenministerin in Deutschland. In der Flüchtlingskrise verlegte ihr hemdsärmeliger Innenminister Klaus Boullion wochenlang sein Büro in die zentrale Aufnahmestelle in Saarbrücken. Sie selbst sprach sich gegen die Schließung der Grenzen aus – wer den kleinen Grenzverkehr zwischen dem Saarland und dem großen Nachbarn Frankreich kennt, kann leicht erkennen warum.

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