In anatolischen Städten wie Bayburt ist der Wunsch nach einem starken Führer ungebrochen. Auch wenn die Unzufriedenheit mit der AKP wächst, hier leben die Erdoğan-Fans.
Wer dem Obstverkäufer im Stadtzentrum zuhört, könnte glauben, das hier ist der sicherste Ort der Welt. “Wenn ich Feierabend mache, decke ich das Obst vor der Ladentür einfach zu”, sagt er. “Und am nächsten Tag fehlt nicht ein Apfel.” Firat Kan* legt in aller Ruhe ein paar Kartoffeln zu den anderen. Fremde, sagt er, würden nach Bayburt gar nicht erst kommen. Die Kriminalitätsrate sei so niedrig, man könne den Zündschlüssel mit ruhigen Gewissen nachts im Auto stecken lassen.
Bayburt liegt im Nordosten Anatoliens, gute hundert Kilometer südlich von der Schwarzmeerküste, 300 bis 400 Kilometer bis zur Grenze nach Georgien oder Armenien. Mit 80.000 Einwohnern ist es die am wenigsten besiedelte Provinz der Türkei, kein beliebtes Ziel für Touristen. Im April 2017 aber wurde die Gegend plötzlich berühmt, weil in keiner anderen Provinz der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan erfolgreicher war. Fast 82 Prozent der Wähler stimmten für die von Erdoğan initiierte Verfassungsreform, die in der Türkei das Präsidialsystem einführte. Erdoğan führt das Land seit dem Putschversuch im Sommer 2016 mehr denn je mit harter Hand. Die Menschen in Bayburt und in vielen Nachbarprovinzen wie Erzurum, Erzincan, Trabzon und Rize stehen trotzdem mehrheitlich hinter ihm.
“Warum denn auch nicht?”, fragt der Obstverkäufer. Bayburt sei konservativ, nationalistisch und überschaubar. Die Menschen könnten hier in Ruhe ihre Religion leben. Linke und Minderheiten gäbe es kaum und jeder wisse, dass Erdoğan nach wie vor der richtige für das Land sei. “Ein Führer, der Mächte im Ausland zurechtweist, wenn sie sich mit der Türkei anlegen”, sagt Kan, und in seiner Stimme klingt etwas Stolz mit.
Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an diesem Sonntag in der Türkei werden spannend wie selten zuvor. Erdoğan führt in allen Umfragen, kann sich aber trotzdem nicht des Wahlsiegs sicher sein. Er tritt inmitten einer Währungskrise an und sein Herausforderer Muharrem İnce von der säkularen Oppositionspartei CHP hat in einem furiosen Wahlkampf viele Türken und Kurden begeistert. İnce könnte sich bei einer Stichwahl gegen Erdoğan auf die Unterstützung der restlichen Opposition verlassen.