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Getöteter Journalisten Khashoggi: Die dunkle Seite des Prinzen

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Der saudische Kronprinz steht unter Druck: Die mysteriöse Affäre um den getöteten Journalisten Khashoggi belastet seinen Reformkurs und die Allianz mit den USA. Steht das Volk noch hinter ihm? Eine Reportage aus Riad.
Ihr Auto stehe draußen, sagt Lina al Maeena. Dieser Satz kommt ihr wie selbstverständlich über die Lippen, obwohl sie sich in Saudi-Arabien eigentlich erst seit Juni hinters Steuer setzen darf. Lina ist, wie es sich in ihrem Land ziemt, in eine schwarze Abaya gehüllt, das unförmige Überkleid, das über dem normalen Outfit getragen werden muss. Die energiegeladene Frau, die wir im Marriot Courtyard von Riad treffen, ist Politikerin, eine von 30 Frauen, die im 150-köpfigen Beratungsgremium des Königs, im Shura-Council, vertreten ist.
Weil Lina das Machtgefüge im Königreich bestens kennt, wollen wir von ihr wissen, was sie von der mysteriösen Affäre Jamal Khashoggi halte, die in diesen Tagen die Welt bewegt und in die der Kronprinz Mohammed bin Salman, kurz MbS, verwickelt sein soll – erst in der Nacht zu Samstag hatte Saudi-Arabien die Tötung des Journalisten im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul eingeräumt .
Doch das Schicksal des Journalisten ist in Riad ein Thema, dem man gerne aus dem Weg geht. Den Verdacht gegen den Kronprinzen wischt Lina mit einer Handbewegung resolut zur Seite. „MbS“, wie ihn alle nennen, „ist ein Prinz der Jugend und der Frauen“, sagt sie schwärmerisch, um der Frage auszuweichen. Er setze sich für Reformen ein, von denen alle profitierten, und er strebe eine „glückliche Gesellschaft“ an.
Al Maeena, die sich als Politikerin und Unternehmerin für Frauensport einsetzt – sie gründete zum Beispiel den ersten weiblichen Basketballklub des Landes, United Jeddah –, traf den Kronprinzen ein erstes Mal im April. Sie sei vom Augenkontakt, den er gesucht habe, beeindruckt gewesen, ebenso vom charmanten Lächeln, das ihr der Adlige geschenkt habe. Als sie ihm für all seine Reformen dankte, habe MbS bescheiden geantwortet: „Madam, das ist meine heilige Pflicht.“
Es wäre aber ein Missverständnis, von dieser „heiligen Pflicht“ die Einführung von demokratischen Regeln oder von Menschenrechten zu erwarten. „Die Reformen läuten keine Epoche der arabischen Aufklärung ein“, meint ein Jurist in Riad. Davon sei im Königreich nie die Rede gewesen, das sei nicht Teil des Reformprogramms. Dieses Missverständnis hat im Westen lange getragen. Genauer gesagt: bis zum 2. Oktober.
An jenem Dienstag betrat der Journalist Jamal Khashoggi die saudische Vertretung in Istanbul, um persönliche Dokumente abzuholen. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Weil sich der saudische Journalist, der seit dem vergangenen Jahr in den USA lebt, in westlichen Medien wiederholt kritisch über den Kronprinzen geäußert und Demokratie gefordert hat, habe dieser Khashoggi aus dem Weg räumen lassen, wird spekuliert.
Die türkischen Behörden haben bisher zwar noch keine Beweise für die Mordthese vorgelegt. Aber die Indizien untermauern den Verdacht, dass Khashoggi von einem 15-köpfigen Killerteam im Konsulat ermordet und zerstückelt worden sei. Danach sei die Leiche in Koffern wegtransportiert worden. Die türkische Regierungszeitung „Sabah“ benannte am Donnerstag den angeblichen „Kopf des Vollstreckungsteams“. Der Mann habe den Kronprinzen auf seinen Reisen oft begleitet, hieß es in dem Artikel. Die „New York Times“ hatte den Mann zuvor ebenfalls als Begleiter des Prinzen identifiziert. Die Zeitung zeichnete anhand von Fotos aus Sicherheitskameras auch seine Bewegungen in Istanbul nach.

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