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Dutertes Krieg gegen die Drogen

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Ihr Mann wurde erschossen, Verdacht: Drogenbesitz. Während sie selbst hochschwanger in einem philippinischen Gefängnis saß, Verdacht: Dealerei. Wie die siebenfache Mutter es schafft, trotzdem weiterzumachen.
In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechende Ansätze für die Lösung globaler Probleme. Es gibt noch das Loch in der Sofalehne, kreisrund und vielleicht zwei Zentimeter im Querschnitt, dort, wo die Kugel, nachdem sie sein Herz durchschlagen hatte, aufs Polster traf. Aber laut der Todesurkunde ist Constantino de Juan, Müllsortierer, Philippiner, Vater, Ehemann, an Bluthochdruck gestorben. Manila, die Hauptstadt der Philippinen. Hier leben 15 Millionen Menschen. Viele von ihnen in kleinen Hütten und Häuschen in Barangays – kleinen Vierteln, in denen die schmalen Wege nicht befestigt sind, wo Katzen und Hunde mit kranken Augen zwischen Kindern spielen. Wo Frauen ihre Flipflops anhaben, bis deren Gummisohlen bis auf ein paar Millimeter abgetragen sind. Lourdes,39 Jahre alt, Mutter von sieben Kindern, lebt im Barangay mit dem Namen Payatas im Osten der Stadt. Dort sind viele Junk-Shops zu finden, kleine Müllhalden hinter Zäunen, wo Männer frühmorgens den gesammelten Müll aus der Nacht abladen. Auf einer dieser Halden hat Constantino gearbeitet, Lourdes’ Ehemann. In Payatas sitzt Lourdes, die in dieser Geschichte nur bei ihrem Vornamen genannt werden soll, in ihrer Hütte, die aus einem größeren Raum und einem kleinen, mit Tüchern abgetrennten Nebenzimmer besteht. Es ist Ende April. Sie erzählt die Geschichte ihrer Familie. Lourdes war nicht dabei, als es passierte, aber sie hat die Abläufe wieder und wieder gehört. Von ihrer Tochter, den Nachbarn, von denen, die Zeugen wurden, an dem Morgen Anfang Dezember 2016: Als Constantino zum Geburtstag seiner Tochter Spaghetti kochte und die Polizei die Hütte der Familie stürmte. Die Polizisten trugen Uniform. Sahen den Ehemann kochen. Die Tochter, zwölf Jahre alt, wollte ihren Vater nicht allein lassen, umarmte ihn. Die Polizei griff nach ihr. Der Vater flehte. Dass sie ihn festnehmen sollten. Er kniete vor ihnen. Weil er gehört hatte, dass die einzige Chance zu überleben sei, sich zu ergeben. Sie rangen ihn nieder, drückten ihn auf den Sessel. Trafen ihn dreimal, Kopf, Herz, Brust. Die Tochter, sitzend, daneben. Sie gaben an, Drogen, Geld und eine Waffe gefunden zu haben. Aber Lourdes sagt:»Das haben sie ihm untergeschoben. « Drei Männer, sagt Lourdes, seien bei der Razzia an diesem Tag in Payatas gestorben; Constantino und zwei Nachbarn, sie wurden zu ersten Opfern in Rodrigo Dutertes sogenanntem Krieg gegen die Drogen. »Meine Kampagne gegen Drogen wird nicht enden bis zum Ende meiner Amtszeit. Das sind von jetzt an sechs Jahre. Bis der letzte Dealer und der letzte Drogenbaron tot ist. « So lauten die Worte, die Rodrigo Duterte wählte bei einer Rede kurz nach seinem Amtsantritt 2016, dem Jahr, in dem die Wählerinnen und Wähler ihn zum neuen Präsidenten der Philippinen machten. Während er sprach, imitierte Duterte mit einer Geste einen Schnitt durch die Kehle. Die Menge kreischte begeistert, rief:»Duterte, Duterte. « 30.000 Opfer, schätzen Menschenrechtsorganisationen, hat Dutertes»Krieg gegen die Drogen« seitdem gekostet – Menschen, die willkürlich ermordet wurden, von Sicherheitskräften oder vermummten Unbekannten, weil sie vermeintlich Drogen besaßen oder nahmen. Darunter mehr als 60 Anwälte, die Drogenabhängige verteidigt hatten. Die wenigsten Fälle wurden aufgeklärt oder vor einem Gericht verhandelt. In seinen Reden hatte Duterte Polizisten und die Bevölkerung von Anfang an aufgewiegelt:»Wenn ihr irgendwelche Abhängigen kennt, geht und tötet sie. Deren Eltern dazu zu zwingen, wäre zu schmerzhaft für sie. « Die Leichen von Süchtigen würden»die Fische in der Bucht von Manila fett machen«. Das Ergebnis: Polizisten schossen, statt mutmaßlichen Gesetzesübertretern Gerichtsprozesse zu gewähren. Mit dem Segen des Präsidenten. Der Internationale Strafgerichtshof ICC in Den Haag ermittelt gegen Duterte wegen möglicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Am 9. Mai wählen die Menschen auf den Philippinen eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten.

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