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IWF-Chefin Kristalina Georgiewa

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Die Chefin des Internationalen Währungsfonds erklärt, warum hohe Energiepreise die Pläne von Finanzminister Lindner bedrohen. Und sie sagt, warum der Ukrainekrieg auch ihre Familie betrifft.
Frau Georgiewa, Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ist das bestimmende Thema hier in Davos. Sie stammen aus Bulgarien, deswegen möchten wir Sie etwas Persönliches fragen: Hätten Sie damit gerechnet, dass so etwas passieren kann? Georgiewa: Mir war schon bewusst, dass das Risiko besteht, und doch war ich schockiert. Die Folgen des Krieges für das ukrainische Volk, aber auch für die Welt sind entsetzlich. Das weiß ich aus nächster Nähe, denn ich habe einen engen Verwandten, der in Charkiw lebte, als der Krieg begann, und die Kriegsschrecken selbst erlebte. Wissen Sie, ich habe den eisernen Vorhang noch miterlebt. Jetzt führt der Krieg zu einer neuen Fragmentierung der Welt. SPIEGEL: Tut die internationale Gemeinschaft genug, um den Krieg zu stoppen? Georgiewa: Europa und die Welt haben sich der Herausforderung gestellt. Wenn es irgendeinen Silberstreifen am Horizont gibt, dann ist es die Erkenntnis, dass wir unsere Augen nicht mehr vor Dingen verschließen können, die entfernt von uns stattfinden: Krieg in der Ukraine bedeutet Hunger in Afrika. Ein Virus aus Wuhan sorgt für eine Pandemie in der ganzen Welt. Und CO₂-Emissionen an einem Ort treiben den Klimawandel auf dem ganzen Planeten voran. Kristalina Georgiewa, Jahrgang 1966, ist seit Oktober 2019 geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die bulgarische Ökonomin war zuvor Vizepräsidentin der EU-Kommission. SPIEGEL: Sie haben die Gefahr einer Hungerkrise erwähnt. Lässt sie sich noch verhindern? Georgiewa: Nur wenn wir mehr tun. Erstens müssen wir uns gegen Exportbeschränkungen für Nahrungsmittel wehren, die schon fast 30 Länder erlassen haben. Ich verstehe, dass Regierungen ihre eigene Bevölkerung vor Engpässen bewahren wollen. Aber damit verlängern wir das Leiden anderer Menschen. Zweitens müssen wir die vorhandenen Nahrungsmittel effizienter nutzen. Und drittens müssen wir gerade armen Ländern die notwendigen finanziellen Ressourcen verschaffen, um die Versorgung zu sichern. SPIEGEL: Was heißt das konkret? Georgiewa: Nehmen Sie ein Land in Afrika, das bei Nahrungsmitteln auf den Weltmarkt angewiesen ist, wo die Preise massiv gestiegen sind. Wir müssen solchen Ländern helfen, damit sie die Versorgung ihrer Bevölkerung sicherstellen können. Wir brauchen eine schnelle internationale Antwort, damit die Menschen nicht verhungern. SPIEGEL: Wie soll diese Antwort aussehen? Georgiewa: Inzwischen haben fast 30 Länder wegen der Nahrungsmittelpreise Probleme mit ihrer Zahlungsbilanz bekommen. Einige von ihnen haben uns um Unterstützung gebeten. Ihnen helfen wir mit einem speziellen Fonds für arme Länder zu null Prozent Zinsen. Außerdem schauen wir sehr genau, was internationale Institutionen tun können, um die Nahrungsmittelproduktion effizienter zu machen. Wir müssen das Angebot ausweiten. SPIEGEL: Die Hilfe für die Ukraine und die besonders betroffenen Länder ist eine Sache. Aber was können wir tun, damit der Krieg endet? Deutschland streitet seit Monaten über ein mögliches Gasembargo. Auch der IWF warnt in seinem neuen Bericht zu Deutschland vor Risiken – weshalb? Georgiewa: Deutschland hat ein Problem, weil es sich nicht schnell aus der Abhängigkeit von russischen Gasimporten lösen kann.

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