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Russland im freien Fall – und warum der Erfolg deutscher Eliten entscheidend für die Zukunft Europas ist

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Tomas Casas erklärt im IPPEN.MEDIA-Interview, wie es um Russlands Oligarchen bestellt ist – und warum die Qualität von Eliten entscheidend ist.
Erstellt: 14.06.2022, 16:18 Uhr
Von: Christiane Kühl
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Wirtschaftswissenschaftler Tomas Casas erklärt im IPPEN. MEDIA-Interview, wie es um Russlands Oligarchen bestellt ist – und was die Qualität von Eliten für die Entwicklung eines Landes bedeutet. St. Gallen/München – Zum dritten Mal hat die Hochschule St. Gallen (HSG) kürzlich den „Elite Quality Index 2022“ für 151 Länder vorgestellt. Dieser Index misst die Macht und die Wertschöpfung von Eliten in den jeweiligen Staaten. Je mehr Macht lokale Eliten haben, desto schlechter schneidet ein Land auf dem Index ab. Und je höher die Wertschöpfung der Eliten, desto besser. Eliten sind nach Ansicht der Forschenden um den Wirtschaftswissenschaftler Dr. Tomas Casas entscheidend für Fortschritt und Entwicklung eines jeden Staats. Warum? Darüber hat Casas im Interview mit Merkur.de von IPPEN. MEDIA gesprochen. Die Eliten stellen dar, was die Forschenden Koordinationskapazität nennen. Die Geschäftsmodelle der Eliten können beides: Wert schöpfen und Wert ausbeuten. Welches Modell die Eliten wählen, bestimmt über Zukunft und Wohlstand eines Landes. Wenn die Eliten eines Landes dagegen Werte aus der Gesellschaft extrahieren, dann wirkt sich das negativ auf den Rang im Index aus. Politische und wirtschaftliche Eliten werden getrennt betrachtet. Ziel der Forschungsgruppe ist es laut Casas, eine Theorie zu entwickeln, mit der sich die Welt verstehen und ändern lässt: die Elite-Theorie wirtschaftlicher Entwicklung (siehe Info-Box unten). Auch in diesem Jahr belegen kleine Länder wie Singapur, die Schweiz, Israel und die Niederlande auf dem Index aus St. Gallen die vorderen Plätze. Größere Staaten wie die USA oder Frankreich schneiden schlechter ab. China lag vor den noch unklaren Auswirkungen der Null-Covid-Politik bei den Schwellenländern vorn, während Russland immer weiter abstürzt. Deutschland konnte im aktuellen Index vier Plätze gutmachen und liegt nun auf Platz elf. Singapur liegt 2022 auf Platz eins, die Schweiz auf Platz zwei. Was zeichnet die Eliten in diesen Staaten aus? Wie kommt es zu diesen Platzierungen — denn die beiden Länder sind ja sehr unterschiedlich. Tomas Casas: Der Vergleich zwischen Singapur und der Schweiz zeigt, dass es mehrere Wege in die Prosperität und auf die vordersten Plätze des EQx gibt. Länder wie die Schweiz — oder auch die USA oder Kanada — schneiden relativ gut ab im Bereich Macht. Das heißt, dass ihre Eliten keine Macht haben. Macht sehen wir als potenzielle zukünftige Extraktion oder Transfer von Wert in die Hände von Eliten. Wer keine Macht hat, kann andere nicht zur Abgabe von Wert zwingen. In Singapur dagegen sind die politischen Eliten relativ mächtig. Aber sie nutzen ihre Macht nicht für Extraktion oder Werte-Transfer – sondern dafür, neuen Wert zu schaffen. Wie gefährlich ist es, wenn Eliten viel Macht haben — wie in Singapur? Ist so ein System instabiler? Solange die Eliten ihre Macht gut einsetzen in Singapur, ist alles gut. Eliten in vielen Ländern der Welt vergrößern den gesamten Kuchen: Das sind die guten, die „High-Quality”-Eliten. Aber wenn diese anfangen sollten, ihre Macht einzusetzen, um Werte zu extrahieren, dann hätten wir ein Problem. Es kann sehr schnell passieren, dass Eliten bei wirtschaftlicher Rezession, Pandemien, Schocks, Krieg oder Finanzcrashes entscheiden, ihre Macht dafür zu nutzen, ihr Einkommen zu bewahren oder zu steigern. Damit aber vergrößern sie nur ihren Teil des Kuchens — auf Kosten der Gesellschaft. Denn wenn der gesamte Kuchen schrumpft und die Eliten nicht proportional mitschrumpfen, dann extrahieren sie eben Werte auf Kosten anderer. Das war während der Pandemie in den USA ein Problem. Die US-Finanzmärkte entwickelten sich in der Zeit trotz des allgemeinen Wirtschaftseinbruchs so gut wie eh und je. Daher mussten manche wirtschaftlichen Eliten gar keinen Einbruch in ihren Geschäftsmodellen hinnehmen. Das heißt, sie haben relativ zur Gesellschaft ihren Teil des Kuchens vergrößert. Genau das Gleiche passiert, wenn die Inflation steigt. Das war 2021 schon ein Problem in den USA und ist jetzt eines in Europa. Bei höherer Inflation sehen die Teile der Bevölkerung, die von einem Gehalt abhängen, dass sie entwertet werden. Aber bei den Eliten, die Werte an der Börse oder Sachvermögen besitzen, wuchsen die Vermögen. Das könnte dazu führen, dass 60 Prozent der Gesellschaft Werte an die oberen ein, zehn oder 20 Prozent transferieren. Sind die USA deshalb im Ranking von 2021 auf 2022 um zehn Plätze von 5 auf 15 abgestürzt? Die USA stehen sehr gut da, was politische Macht und Institutionen angeht. Sie sind auf Rang eins bei politischer Macht, denn die US-Eliten haben sehr wenig Macht und konkurrieren heftig miteinander. Auch die Institutionen sind sehr gut. Aber die Wertschöpfung der Eliten ist gesunken: Da liegen die USA nur noch auf Platz 29. Das ist keine Katastrophe, aber ein Grund zur Besorgnis.

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