Домой Deutschland Deutschland — in German „Stadtbild“-Debatte – Mirna Funk: Merz hat ein problematisches Wort gesagt – Die...

„Stadtbild“-Debatte – Mirna Funk: Merz hat ein problematisches Wort gesagt – Die Reaktion darauf war schlimmer

82
0
ПОДЕЛИТЬСЯ

Nach der„Stadtbild“-Äußerung von Friedrich Merz geistert ein Zitat von Joseph Goebbels durchs Netz. Den Kanzler mit Goebbels in Verbindung zu bringen, ist politisch schäbig und geschichtsvergessen. Bezeichnend ist auch, welche Gruppe den Merz-Kritikern bislang recht egal war.
Nach der„Stadtbild“-Äußerung von Friedrich Merz geistert ein Zitat von Joseph Goebbels durchs Netz. Den Kanzler mit Goebbels in Verbindung zu bringen, ist politisch schäbig und geschichtsvergessen. Bezeichnend ist auch, welche Gruppe den Merz-Kritikern bislang recht egal war.
Friedrich Merz hat das Wort „Stadtbild“ benutzt und das Internet hat ein Goebbels-Zitat gefunden. Seit Tagen wabert ein Satz des NS-Propagandaministers durch die Feeds, in dem er sich darüber beklagt, wie das „Straßenbild“ durch Juden verändert werde. Viele Aktivisten und linke Politiker, wie zum Beispiel Clara Bünger, die direkt ein Reel in die Welt rausballerte, sehen die Analogie als auf der Hand liegend. Merz sprach von „Problemen im Stadtbild“ und verwies in leicht paternalistischer Tonart auf „die Töchter“, die wüssten, was er meine. Was er genau gemeint hat, bleibt unklar. Die Empörungswelle ließ ihm keine Chance zur Erläuterung. Was folgte, war ein reflexhaftes Aufblähen der Bedeutung. Der Begriff „Stadtbild“ wurde umstandslos mit der Schoah verknüpft, Merz in die Nähe von NS-Rhetorik gerückt.
Die Formel lautete: Wer das Stadtbild problematisiert, spricht wie Goebbels. Und wer „unsere Töchter“ als Argument einführt, instrumentalisiert Frauen für rassistische Zwecke. Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, die Äußerung schlicht zu kritisieren: Sie war unpräzise, suggestiv, unnötig aufgeladen. Aber anstatt sich mit den politischen Implikationen einer solchen Sprache auseinanderzusetzen, wurde der Diskurs sofort auf moralisches Maximalniveau gedreht. Merz sei ein gefährlicher Brandstifter, hieß es, ein Mann, der unterschwellig nationalistische Codes reproduziere. Als Beleg diente ein einzelner Tagebuchsatz von Goebbels aus dem Jahr 1941.
Das fragliche Zitat stammt aus dem privaten Tagebuch von Joseph Goebbels, datiert auf den 20. August 1941. Es findet sich im Band 3/2 der vom Institut für Zeitgeschichte edierten „Tagebücher von Joseph Goebbels“, herausgegeben von Elke Fröhlich. Dort notiert Goebbels im Zusammenhang mit der bevorstehenden Deportation der Berliner Juden: „Sie verderben nicht nur das Straßenbild unserer Stadt, sondern auch das sittliche Empfinden unseres Volkes.“ Das Zitat ist also authentisch. Aber es stammt aus einem unmittelbaren Kontext der systematischen Judenvernichtung und lässt sich nicht ohne Weiteres auf eine flapsige Aussage eines heutigen Politikers übertragen, der zwar fahrlässig formuliert, aber keine Deportation vorbereitet. Die historische Dimension dieses Satzes ist so tief in Gewalt, Vernichtung und propagandistischer Hetze eingebettet, dass jeder direkte Vergleich zwangsläufig schief hängt und gleichzeitig die Verfolgung und Vernichtung von Juden relativiert.
Doch der Griff zu solchen Analogien ist in Deutschland längst gängige Praxis. Wer sich über seinen politischen Gegner ärgert, greift nicht zur Analyse, sondern tief in die Analogiekiste. Holocaustvergleiche sind die schärfste Waffe im Meinungskampf und werden entsprechend oft gezogen. Dabei ist es fast gleichgültig, ob die Vergleiche historisch haltbar oder analytisch sinnvoll sind.

Continue reading...