Der neue US-Plan geht vor allem auf Wladimir Putins Interessen ein. Dass die Europäer dabei nicht gefragt wurden, haben sie selbst verschuldet. Der Wochenrückblick
Der 28-Punkte-Plan der USA für ein Ende des Krieges gegen die Ukraine hat in Europa nicht gerade Begeisterung ausgelöst. «Es ist aus meiner Sicht kein Plan», sagte am späten Donnerstagabend Außenminister Johann Wadephul (CDU). Zu diesem Zeitpunkt kursierten erste Entwürfe der Vorschläge, aber noch nicht der Wortlaut. Dieser ist inzwischen bekannt, und enthält Vorschläge, die der Kreml nicht schöner hätte formulieren können: Russland soll strategisch wichtige ukrainische Gebiete erhalten, in den Kreis der G7 wiederaufgenommen werden, der Nato faktisch Vorgaben für ihre Erweiterungspolitik machen dürfen – und im Gegenzug hoch und heilig versprechen, die Ukraine künftig nicht zu attackieren. Die «Sicherheitsgarantien nach Nato-Vorbild», die in einem separaten Dokument beschlossen werden sollen, sind hingegen derzeit noch undefiniert und damit zunächst in etwa ebenso glaubwürdig wie jene, die im Budapester Memorandum 1994 vereinbart worden sind und Wladimir Putin nicht aufgehalten haben.
Mit den Vorstellungen europäischer Sicherheitspolitiker über die Voraussetzungen für einen stabilen Frieden auf ihrem eigenen Kontinent hat der Plan hingegen kaum etwas zu tun. Kein Wunder: An der Formulierung der Vorschläge waren die Europäer nicht nur nicht beteiligt. Sie sind von den Autoren des Papiers nicht mal als Teil der Rechnung betrachtet worden. Dieser Eindruck entstand zumindest aus den Berichten darüber, wie die Vorschläge zustande kamen. Das US-Portal Politico, das als eines der ersten Medien über den Plan berichtete, zitierte einen anonymen US-Regierungsbeamten mit den Worten: «Die Europäer interessieren uns nicht wirklich.»
Jetzt versuchen die Europäer, im Eiltempo einen Platz am Verhandlungstisch zu ergattern. Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Regierungschef Keir Starmer telefonierten am Freitagmittag mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj. Dieser ist von den USA immerhin von der Zukunft informiert worden, die Washington für sein Land skizziert wird. Nach dem Gespräch veröffentlichte die Bundesregierung eine Erklärung, der die Hilflosigkeit mit bloßem Auge anzusehen ist: «Sie verabredeten, weiterhin das Ziel zu verfolgen, vitale europäische und ukrainische Interessen langfristig zu wahren.» Jede Vereinbarung, die EU- und Nato-Interessen betrifft, bedürfe «einer Zustimmung der europäischen Partner», dessen waren sich die Staatschefs der Erklärung zufolge «einig». Man vergewisserte sich sozusagen untereinander der eigenen Bedeutung.
Bis dahin aber stehen auch die führenden Vertreterinnen der EU mit leeren Händen da. Auf Ursula von der Leyens Pressekonferenz am Rande des G20-Gipfels im südafrikanischen Johannesburg fragte ein Reporter die Kommissionspräsidentin, wie es dazu habe kommen können, dass die EU bei der Entstehung des Plans «derart entsetzlich ausgegrenzt» worden sei. Die Antwort von der Leyens, nach langen und wenig inspirierten Erklärungen, was ihre Kommission alles gegen Putin unternommen habe: «Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie nötig.»
Ähnlich hilflos präsentiert sich auch Kaja Kallas, EU-Außenbeauftragte und Vertreterin einer besonders harten Gangart gegen Russland – wenngleich vor allem verbal. Dem 28-Punkte-Plan der USA halte die EU einen «sehr klaren Zwei-Punkte-Plan» entgegen, sagte sie bereits am Donnerstagabend. Die beiden Punkte: «Erstens, Russland schwächen; zweitens, die Ukraine unterstützen.» Bei allem Respekt vor Kallas’ Amt: Das ist weder klar, noch ein Plan. Die hemdsärmeligen US-Verhandler um Immobilienhändler Steve Witkoff, Trumps Russlandgesandten, dürften von solchen Sätzen – falls sie diese überhaupt zur Kenntnis nehmen – ebenso amüsiert sein, wie Putins professionell agierende Diplomaten, deren Forderungen es jetzt in Witkoffs Papier hineingeschafft haben.
Die Frage, die von der Leyen in Johannesburg nicht zu beantworten vermochte – warum Europa denn nun so an den Rand potenziell historischer Ereignisse gedrängt worden ist – hat, den Erklärungsversuchen der Kommissionspräsidentin zum Trotz, eine recht simple Antwort. Europa hat schlicht nicht genug unternommen, um dieses Szenario zu verhindern. Nach wie vor fließt mehr europäisches Geld in Form von Zahlungen für Energieträger nach Russland als in Form von Hilfsleistungen in die Ukraine.