Puppenspieler, Strippenzieher, Selbstdarsteller: Kaum jemand hat den modernen US-Comic so geprägt wie Stan Lee. Jetzt starb er mit 95 Jahren. Ein Nachruf
Der alte Mann war ein Zauberer. In einer seiner vielen Erzählungen, der zusammen mit dem Zeichner Hiroyuki Takei geschaffenen Manga-Serie „Ultimo“, hatte sich Stan Lee in Gestalt eines Puppenspielers selbst verewigt. Dieser Dr. Dunstan ist ein Forscher, den die Abgründe der menschlichen Natur ebenso interessieren wie die Macht der Superwesen. Er hat sich zwei mit übermenschlichen Kräften ausgestattete Puppen geschaffen, die das Böse und das Gute in Reinform repräsentieren. Als er von Wegelagerern überfallen wird, geraten die Puppen außer Kontrolle, ein Jahrhunderte überspannendes Action-Fantasy-Abenteuer beginnt, dessen erste Bände jetzt sukzessive auch auf Deutsch erscheinen.
Diese Erzählung Stan Lees bot mit dem Puppenspieler eine passende Verkörperung jenes Mannes an, der 1922 als Stanley Martin Lieber in New York zur Welt kam und jetzt im Alter von 95 Jahren gestorben ist. Das meldeten am Montagabend US-Medien.
Eine Nachricht, die nicht nur viele Comicfans traurig stimmen dürfte. Wohl kein anderer lebender Autor hatte den US-Comic und die daraus entstandene milliardenschwere Unterhaltungsindustrie so nachhaltig geprägt wie Lee – und keiner war so umstritten wie er. Denn der mit einem riesigen Ego beseelte Autor und Redakteur war nicht nur ein geschickter Strippenzieher und Geschichtenerfinder mit Hang zu menschelnden Helden und pathetischen Dialogen, sondern vor allem ein begnadeter Selbstdarsteller.
Während viele Fans den Sohn jüdisch- rumänischer Immigranten bis heute als Schöpfer von Spider-Man, den Avengers und vieler anderer Comic-Ikonen verehrten, hielten ihn andere für einen Hochstapler, der sich mit der Kreativität seiner Weggefährten schmückte.
In seiner Autobiografie „Excelsior – The Amazing Life of Stan Lee“ zeichnete er das Bild eines kreativen Tausendsassas. Als Jugendlicher verschlang er Groschenhefte, Comics, Mark Twain und Shakespeare.