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Roman Herzog – der Ruck-Präsident

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NewsHubDie Erwartungen waren groß. Und sie wurden nicht enttäuscht. Schon Tage vorher waren die Signale, die aus dem noblen Schloss Bellevue , dem Sitz des Bundespräsidenten am Rande des Berliner Tiergartens, drangen, nicht zu überhören. Das Staatsoberhaupt, so streuten seine Mitarbeiter, werde nicht nur eine große und wichtige Rede halten, sondern eine, die einschlagen werde.
Und tatsächlich: Als Roman Herzog am 26. April 1997 im noch nicht ganz fertiggestellten Hotel Adlon am Pariser Platz seine erste Berliner Rede hielt, war das Echo gewaltig. Mit wenigen Worten gelang es dem gebürtigen Landshuter, ein innenpolitisches Beben auszulösen. Vor 250 handverlesenen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft redete der erste Mann im Staate Tacheles und schonte in seiner 55-minütigen Standpauke weder Politiker noch Bürger, Arbeitgeber und Gewerkschaften, Verbände und gesellschaftliche Gruppen.
Mit eindringlichen Worten geißelte er den Reformstau im Lande und den Bürokratismus, die staatliche Reglementierungswut und den Reflex, alles Bestehende erhalten zu wollen, koste es was es wolle. Und dann folgte sein eindringlicher Appell: Durch Deutschland muss ein Ruck gehen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen. Namen nannte er nicht, doch im Hotelsaal herrschte eisiges Schweigen. Niemand konnte sich von seiner Generalkritik ausnehmen.
Die Rede hat Roman Herzog berühmt gemacht, als Ruck-Präsident ging der Nachfolger von Richard von Weizsäcker , der von 1994 bis 1999 als siebter Bundespräsident an der Spitze des Staates stand, in die Geschichte ein. Am Dienstag starb er ebenso geistreiche wie wortgewaltige Jurist im Alter von 82 Jahren nach schwerer Krankheit in Bad Mergentheim.
Sein vierter Nachfolger im Amte, Joachim Gauck, würdigte ihn als markante Persönlichkeit, die das Selbstverständnis Deutschlands und das Miteinander in unserer Gesellschaft geprägt und gestaltet hat. Er habe stets Reformbereitschaft angemahnt und sei zugleich für die Bewahrung des Bewährten eingetreten. Sein vorwärtsstrebender Mut verband sich mit einer charmanten Skepsis. Und da er ein unabhängiger Geist mit einer Liebe zum klaren Wort gewesen sei, habe er viel zur Verständigung zwischen Bürgern und Politik beigetragen.
Wie kein anderer wusste Roman Herzog um die Macht und die Ohnmacht des Bundespräsidenten wie um die Bedeutung und die Grenzen des Amtes – war er doch vor seiner Karriere als Politiker ein erfolgreicher Staatsrechtsprofessor gewesen, der sich als Mitautor und Mitherausgeber des als Standardwerk geltenden Kommentars zum Grundgesetz eingehend mit der Rolle des Staatsoberhauptes befasst hatte. Ein Mann der Theorie wie der Praxis, der Wissenschaft und der Politik, der nach dem Studium und der Habilitation in München an der Freien Universität Berlin und der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer lehrte und es dort bis zum Rektor brachte.

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