Anfang September 2015 ließ Angela Merkel die Grenzen für Flüchtlinge öffnen, eine Woche später hätten sie wieder geschlossen werden sollen. Doch es passierte nichts. Nur warum?
Alle Vorbereitungen waren abgeschlossen. Alle Einheiten der Bundespolizei waren in Alarmbereitschaft versetzt, 21 Hundertschaften mit Bussen aus ganz Deutschland an die Grenze zu Österreich gebracht worden. Genau eine Woche, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer einsamen Entscheidung die deutsche Grenze für jene Flüchtlinge geöffnet hatte, die in der ungarischen Hauptstadt Budapest gestrandet waren und dort bei großer Hitze unter unwürdigen Bedingungen auf der Straße lebten, sollte sie am Sonntag, 13. September 2015, um 18 Uhr wieder geschlossen werden.
Der 30-seitige Einsatzbefehl jedenfalls, den Dieter Romann, der Chef der Bundespolizei, verfasst hatte, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: An allen Grenzübergängen von Österreich nach Deutschland sollten wieder strenge Personenkontrollen stattfinden, wer keinen Pass oder kein Visum hatte, sollte auch dann an der Einreise gehindert werden, wenn er um politisches Asyl bat. Es fehlte nur noch eines – die Zustimmung der Bundesregierung. Ohne das Ja aus Berlin ging nichts.
Doch Romann wartete bis zum Abend des 13. September vergebens auf eine Antwort. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch sein Dienstherr, Innenminister Thomas de Maizière (beide CDU), fürchteten, dass sich an der deutsch-österreichischen Grenze vor den Augen der Weltöffentlichkeit dramatische Szenen abspielen könnten und Mütter mit kleinen Kindern von deutschen Polizeibeamten notfalls auch mit Gewalt abgewiesen würden. So beschreibt es der Journalist Robin Alexander (Welt am Sonntag) in seinem Buch „Die Getriebenen. Merkel und die Flüchtlingspolitik“, das am Montag von FDP-Chef Christian Lindner in Berlin vorgestellt wurde (286 Seiten, Siedler-Verlag Berlin, 19,99).