Radikale Muslime werben zunehmend um Anhänger. Auch Frauennetzwerke sind verstärkt aktiv, berichtet der Verfassungsschutz. Chinesische Fake-Profile beschäftigen die Geheimdienstler ebenfalls.
Die Szene der Salafisten wächst weiter. Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ist die Zahl der Salafisten in Deutschland auf 10.800 gestiegen. Im September waren es noch 10.300, Ende vergangenen Jahres 9700 Personen. Der Anstieg der Zahl auf ein „Allzeit-Hoch“ zeige die Attraktivität der salafistischen Ideologie, sagte jetzt BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen. Der Nachrichtendienst beobachtet allerdings auch, dass sich die Szene verändert.
Festzustellen sei eine „Fragmentierung und Privatisierung des Salafismus in Deutschland“, erklärte Maaßen. Das sei eine „besondere Herausforderung für den Verfassungsschutz“. Denn die Beobachtung der Szene wird durch den Trend zum Rückzug aus der Öffentlichkeit ins Private schwieriger – paradoxerweise auch aufgrund staatlicher Erfolge: Mehrere Schläge haben die Salafisten schwer getroffen. Im Juli verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf den führenden Szeneprediger Sven Lau zu fünfeinhalb Jahren Haft wegen Unterstützung der mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“ verbundenen Organisation Jamwa. Aus dem Verkehr gezogen ist seit November 2016 auch der mutmaßliche Statthalter des IS in Deutschland, Abu Walaa. Er und vier Anhänger müssen sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Celle verantworten.
Ebenfalls im November vergangenen Jahres verbot Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den Verein „Die wahre Religion“. Er hatte mit der Kampagne „Lies!“, bei der Salafisten in Fußgängerzonen Gratis-Exemplare des Koran verteilten, junge Menschen in die Szene und auch in den Dschihad in Syrien und Irak gezogen. Heute hingegen gebe es öffentlich sichtbare „Straßenmissionierung“ nur noch selten, heißt es im BfV.
Dennoch kann die Szene offenbar weiter für sich werben. Die Radikalisierung finde nun weniger in Moscheen oder überregionalen salafistischen Organisationen statt, „sondern in kleinen konspirativen Zirkeln und vor allem im Internet“, berichtet das Bundesamt. Zudem bildeten sich jetzt häufiger „Frauennetzwerke“, in die nur „erschwert nachrichtendienstliche Zugangsmöglichkeiten geschaffen werden können“. Gemeint ist unter anderem die Anwerbung von V-Frauen. Dafür wären szenekundige Beamtinnen nötig. Salafistinnen sind für „ungläubige“ Männer kaum ansprechbar – Werbung und Führung von V-Leuten ist im Verfassungsschutz jedoch meist Männersache.