Nach der Giftattacke auf den Ex-Spion Sergej Skripal spitzt sich der diplomatische Konflikt zwischen Großbritannien und Russland zu. US-Botschafterin Haley macht Russland verantwortlich.
Der UN-Sicherheitsrat hat sich am Mittwoch in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Giftanschlag auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien befasst. Dabei machte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, Russland für die Attacke verantwortlich. „Die USA glauben, dass Russland für die Attacke (…) in Großbritannien mit einem militärischen Nervenkampfstoff verantwortlich ist.“ Vor Beginn der Dringlichkeitssitzung hatte der britische Vize-Botschafter bei der UNO, Jonathan Allen, angekündigt, er wolle den Sicherheitsrat bitten, sich an die Seite Großbritanniens zu stellen. Eine Erklärung des wichtigsten UN-Gremiums war allerdings nicht geplant.
Die britische Premierministerin Theresa May hatte zuvor mit harten Sanktionen auf den Giftanschlag in Salisbury und auf das aus Londons Sicht unkooperative Verhalten Russlands reagiert: Wie die Premierministerin am frühen Mittwochnachmittag im Londoner Parlament mitteilte, werden 23 russische Diplomaten aus Großbritannien ausgewiesen. Überdies würden die bilateralen Kontakte zu Russland ausgesetzt. Zur Begründung sagte May, der russische Staat trage die Schuld für die versuchte Ermordung des Ex-Agenten. Russland hatte zuvor ein Ultimatum Londons, sich in dem Fall zu erklären, verstreichen lassen. Eine Übersicht über die Sanktionen ist am Ende des Textes aufgelistet.
Russlands Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Man werde in Kürze zu Vergeltungsmaßnahmen ausholen, erklärte das Außenministerium in Moskau. Mays Erklärungen seien eine offene Provokation. Sie habe sich damit für eine weitere Eskalation entschieden.
Westliche Staaten, die EU und die Nato haben sich am Mittwoch hinter Großbritannien gestellt. In einer durch das Bündnis veröffentlichten Erklärung aller 29 Nato-Mitglieder hieß es, der „Angriff“ sei „ein klarer Bruch internationaler Regeln und Vereinbarungen“. Die Verbündeten erklärten Großbritannien ihre Solidarität und boten „ihre Unterstützung bei der Durchführung der laufenden Untersuchung“ zu dem Fall an. Sie forderten Russland zur Beantwortung aller Fragen Großbritanniens zu dem Giftanschlag sowie zur „vollständigen Offenlegung“ des Nowitschok-Programms auf.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief Russland in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“ zu „Transparenz“ auf. Zugleich mahnte sie: „Wir können jetzt auch nicht alle Kontakte abbrechen.“ Es müsse trotz aller „Meinungsverschiedenheiten“ immer wieder mit den russischen Verantwortlichen gesprochen werden. Der neue Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zeigte Verständnis für die von Großbritannien verhängten Vergeltungsmaßnahmen gezeigt. „Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“ UN-Generalsekretär Antonio Guterres bezeichnete den Einsatz eines Nervengifts schon vor der Dringlichkeitssitzung vom Mittwoch als „inakzeptabel“.
Skripal (66) und seine Tochter Yulia (33) waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Sie befinden sich in einem kritischen Zustand. Skripal hatte als Offizier des russischen Militärgeheimdienstes GRU für die Briten spioniert. Er wurde verurteilt und 2010 bei einem großen Agenten-Austausch nach Großbritannien entlassen.
Der Fall erinnert an den Mord an dem Ex-Agenten und Kremlkritiker Alexander Litwinenko, der 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet wurde.