Im gesamten Syrien befinden sich Öl- und Gasblöcke, die ausgebeutet werden können. Die Großmächte verzichten auf öffentliche Aufträge der syrischen Regierung und wollen die Blöcke eigenständig kontrollieren.
US-amerikanische, britische, französische, israelische und russische Energiekonzerne könnten die Hauptnutznießer von militärischen Operationen im Irak und in Syrien sein, die offiziell geführt werden, um den IS zu besiegen. Auch an einer souveränen Regierung in Damaskus besteht kein Interesse: Eine solche könnte die attraktiven Öl- und Gasvorkommen selbst ausbeuten wollen oder aber über öffentliche Ausschreibungen zu einer Verteilung auf mehrere Konzerne dafür sorgen, dass keine einzelne Großmacht eine dominante Rolle spielen kann.
Militärisch hat sich das Blatt vorerst zugunsten Russlands gewendet. Davon dürfte in erster Linie China profitieren, das mit Russland und dem Iran verbündet ist und mit der ebenfalls militärisch erfolgreichen Türkei enge Beziehungen unterhält.
Allerdings sind die Grenzen fließend: Die Türkei ist Nato-Partner der Amerikaner, weshalb die türkische Invasion in Afrin bisher von keinem einzigen westlichen Verbündeten scharf verurteilt oder gar behindert wurde. Vielmehr ist zu erkennen, dass der Westen versuchen könnte, den Russen doch noch einen entscheidenden Teil des Einflusses in Syrien abzujagen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte vor einigen Tagen erklärt, er könnte die kurdische YPG unterstützen. Russland hatte darauf hin spekuliert, dass damit ein Nato-Staat gegen einen anderen kämpfen könnte. Doch die Ankündigung könnte eine Finte sein – ebenso wie die überraschende Erklärung von US-Präsident Donald Trump, sich aus Syrien zurückziehen zu wollen „und andere die Sache lösen“ lassen zu wollen. Mit „anderen“ dürfte Trump nicht Russland gemeint haben, wie US-Journalisten in einer Pressekonferenz mit der Sprecherin des US-Außenministeriums vermuteten. Vielmehr wäre es denkbar, dass die Türkei und Frankreich kooperieren. Beide sind langfristig verlässlichere Partner für die Amerikaner als die diversen Söldnertruppen, denen Trump zuletzt weitgehend die Unterstützung entzogen hatte.
Ein Ende des Syrien-Krieges ist deshalb nicht in Sicht. Denn es geht um höchst relevante wirtschaftliche und geopolitische Interessen.
Eine Studie aus dem Jahr 2011, die ursprünglich im Energie-Magazin GeoArabia veröffentlicht wurde, beschäftigt sich mit dem großen „Kohlenwasserstoff-Potenzial” in den syrischen Offshore-Gebieten.
Das Magazin wird von der in Bahrain ansässigen Beratungsfirma GulfPetroLink herausgegeben, die von einigen der weltweit größten Ölkonzerne wie Chevron, ExxonMobil, Saudi Aramco, Shell, Total und BP gesponsert wird.
GeoArabia wird ausschließlich an transnationale Energiekonzerne, Unternehmens-Sponsoren und verwandte Organisationen sowie an einige Universitäten verteilt.
Die Studie, die von Steven A. Bowman, leitender Geowissenschaftler des französischen Energiekonzerns CGG Veritas, verfasst wurde, identifizierte „drei sedimentäre Becken: Levantin, Zypern und Latakia im Offshore-Bereich Syriens” und hob „signifikante Beweise für ein funktionierendes Erdöl-System im Offshore-Bereich hervor”. GEO ExPro, ein führendes Magazin für den Öl-Sektor und Geowissenschaften, hat ebenfalls über die Studie berichtet.
Das französische Unternehmen CGG Veritas ist einer der größten seismischen Landvermesser der Welt. Unterstützt von der französischen Regierung, die 18 Prozent der Stimmrechte an der Firma besitzt, hatte CGGVeritas im Jahr 2005 seismische Daten über Offshore-Ressourcen in Syrien erworben und war seitdem der Hauptansprechpartner für geophysikalische und geologische Daten im Auftrag der syrischen Regierung.
Im Jahr 2011 hatte die französische Firma einen Exklusivvertrag mit der syrischen Regierung, um technische Unterstützung für die diesjährige internationale Offshore-Ausschreibungsrunde für Unternehmen zur Erforschung, Entwicklung und Produktion von Öl und Gas aus drei Offshore-Blöcken im Mittelmeer an der syrischen Küste bereitzustellen.
CGGVeritas wurde auch von der britischen Regierung für die Nordsee lizenziert. Im Jahr 2012 veröffentlichte das US-Innenministerium ein Jahrbuch der US-Geological Survey Minerals, in dem berichtet wurde, dass die syrische staatliche Energie-Firma Syrische Petroleum Corporation (SPC) mit mehreren Firmen, wie der China National Petroleum Corporation (CNPC), den britischen Gulfsands Petroleum und Royal Dutch Shell, der indischen Oil and Natural Gas Resources Corporation sowie der französischen Total SA zusammenarbeite.
Zwei Jahre zuvor war die syrische Hauptstadt Damaskus Gastgeber der 7. Syrischen Internationalen Öl- und Gasausstellung, die vom syrischen Öl-Ministerium einberufen wurde. Die Ausstellung wurde von CNPC, Shell und dem französischen General Total gesponsert und von über 100 Vertretern internationaler Firmen besucht, von denen 40 Prozent in Europa ansässig waren.
In einem Dokument aus dem Jahr 2010, das vom Ausstellungsorganisator Allied Expo im Auftrag des syrischen Öl-Ministeriums, verfasst wurde, hieß es, dass das britische Unternehmen Shell plante, eng mit der syrischen Regierung zusammenzuarbeiten, um die syrische Gasproduktion zu entwickeln, so das Energiemagazin Oil & Gas iQ . „Shell wird nach einer Vereinbarung mit dem Öl-Ministerium einen Masterplan für die Entwicklung des Gassektors in Syrien erarbeiten (…). Das Abkommen beinhaltet eine Bewertung des gesamten unentdeckten Gaspotenzials in Syrien, das Potenzial für die vorgelagerte Gasproduktion und den Bedarf an Gastransport- und Verteilernetzen”, heißt es in den Präsentationsfolien, die explizit im Oktober 2010 erstellt wurden.
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Deutschland — in German Großmächte kämpfen in Syrien um globales Energie-Drehkreuz