Theresa Mays Verhandlungsführung in Brüssel wird zu Hause nur von wenigen verstanden.
Falls Brüssel der britischen Premierministerin Theresa May mit dem Angebot, die Übergangsfrist nach dem Brexit zu verlängern, unter die Arme greifen wollte, dann ist der Versuch misslungen. May schlug zu Hause eine Welle der Empörung entgegen, nachdem sie beim EU-Gipfel den Vorschlag begrüsst hatte. Eine Fristerstreckung von Ende 2020 auf Ende 2021 mache Grossbritannien zum Vasallenstaat, riefen Brexit-Hardliner. Auch gemässigte Tory-Abgeordnete und Mitglieder des Kabinetts, die May unterstützen, reagierten genervt.
Unabhängig vom Gipfeltreffen der EU brachte die Premierministerin auch die Opposition und wirtschaftsnahe EU-Anhänger in den eigenen Reihen gegen sich auf. Es wurde bekannt, dass sie die Mitsprache des Parlaments bei der Verabschiedung eines Brexit-Abkommens einschränken will. Laut einer Mitteilung von Brexit-Minister Dominic Raab an das Unterhaus soll dieses über einen Deal, wenn es denn einen gibt, abstimmen, ohne Abänderungen beim Verfahren vornehmen zu können. Anhänger einer zweiten Volksabstimmung trachten danach, die Vorlage über das Abkommen entsprechend zu ergänzen.
EU-Rats-Präsident Donald Tusk bestätigte zum Abschluss des Gipfels, eine Verlängerung der Übergangsfrist über 2020 hinaus sei «wahrscheinlich». Die Begründung lautet auf beiden Seiten, man wolle die Frage der inneririschen Grenze, die ein Abkommen derzeit blockiert, sorgfältig und langfristig lösen. Das zukünftige Handelsabkommen, über das ab März verhandelt wird, soll gewährleisten, dass die EU-Aussengrenze zwischen Irland (bleibt in der EU) und Nordirland (verlässt sie) reibungslos bleibt und die umstrittene Rückfallposition («Backstop»), die allein für Nordirland gälte, gar nicht eingesetzt werden muss.