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Andrea Nahles: Warum sich die ewige Kämpferin jetzt geschlagen gibt

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Sie ist angetreten, um eine am Boden liegende Partei wieder aufzurichten. Das Gegenteil ist eingetreten. Die einstige Hoffnungsträgerin der Partei ist gescheitert. Warum sie keine andere Möglichkeit als den Rücktritt mehr sah.
Am Ende muss es eine sehr einsame Entscheidung gewesen sein. Den ganzen Samstag über hatte sich Andrea Nahles mit ihren Vertrauten beraten, ihre Optionen durchgespielt. Natürlich ging es dabei auch schon um das Thema Rücktritt.
„Das Szenario war vorbereitet“, sagt einer, der diesen Prozess aus der Nähe verfolgte. Spätestens seit der aus Sicht von Nahles so desaströs verlaufenen Sitzung der SPD-Bundestagsabgeordneten am Mittwoch war auch dem letzten ihrer Anhänger klar gewesen, dass die 48-Jährige eine Partei- und Fraktionsvorsitzende auf Abruf sein würde.
Und trotzdem hatte das Nahles-Lager bis zuletzt daran geglaubt, dass die Chefin das Ruder noch einmal herumreißen würde. Es wäre ja nicht das erste Mal in ihrer langen politischen Laufbahn gewesen.
Grund zur Hoffnung gab eine Liste, erstellt von Nahles-Vertrauten nach unzähligen Telefonaten. Sie teilte die 152 SPD-Bundestagsabgeordneten in drei Gruppen auf. Stimme für Nahles, Stimme gegen Nahles und Stimme unklar. Der Stand am Samstagabend: 87 Unterstützer, 48 Gegner, 16 Unentschiedene.
Bei der Wahl um den Fraktionsvorsitz am Dienstag hätten diese Zahlen für eine Mehrheit gereicht. Aber konnte man sich noch auf die Rückmeldungen der Abgeordneten verlassen? Und wie würde es nach einer womöglich nur knapp gewonnenen Wahl weitergehen? Nahles zweifelte, haderte, rang mit sich.
Alles zum Nahles-Rücktritt: Der News-Blog
Rücktritt: Die Begründung von Andrea Nahles im Wortlaut
Am frühen Sonntagmorgen teilte sie ihrem engsten Umfeld die Entscheidung mit. Andrea Nahles, die ewige Kämpferin, gibt sich geschlagen. Der Druck, der Widerstand, der zum Teil offen geäußerte Hass aus den eigenen Reihen sind ihr zu groß geworden. Sie sieht keine Möglichkeit mehr, Partei und Fraktion noch einmal hinter sich zu versammeln. Sie wirft deshalb das Handtuch.
Die Nahles-Vertrauten reagieren geschockt. Hatte ihre Chefin nicht stets beteuert, bis zur nächsten Wahl durchhalten zu wollen, egal was da komme? Und nun das. Mitarbeiter stehen vor dem Jobverlust, politischen Mitstreitern schwant das Ende ihrer Karriere.
Auch Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz wird von der Entscheidung kalt erwischt. Bis zuletzt war der Hamburger davon ausgegangen, dass Nahles „durchziehen“ würde – wie so oft zuvor. Noch am Sonntagmorgen erscheint im Berliner „Tagesspiegel“ ein großes Scholz-Interview, in dem der Parteivize verkündet, dass die SPD „natürlich“ bei der Bundestagswahl 2021 einen Kanzlerkandidaten aufstellen und danach ganz sicher nicht in eine weitere große Koalition gehen werde. Wohl nur selten sind politische Aussagen so schnell so alt geworden.

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