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Inhalieren Rassismus: Deutsche Politikerin sagt, warum uns Floyds Tod alle angeht

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Die Ermordung von George Floyd und die Polizeigewalt gegenüber Schwarzen Menschen in den USA sorgt auch für Diskussionen in Deutschland. Denn rassistische Diskriminierung nimmt hierzulande weiter zu. Aminata Touré (Grüne) ist eine der wenigen Schwarzen Landtagsabgeordneten in Deutschland und erklärt, wie eine Gesellschaft rassismuskritisch denken lernen kann.
Nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd in den USA bringen immer mehr Menschen ihre Wut und Unverständnis über den systematischen Rassismus gegen Schwarze zum Ausdruck – auch in Deutschland. Über Pfingsten haben zahlreiche Menschen gegen Polizeigewalt protestiert und unter dem Hashtag #Blackouttuesday am Dienstag (2. Juni) auf den Sozialen Medien ihre Solidarität bekundet.
In Deutschland nimmt rassistische Diskriminierung unterdessen weiter zu. Im Jahr 2018 gab es laut Kriminalstatistik fast 20 Prozent mehr rassistische Übergriffe als im Jahr 2017.
FOCUS Online hat mit Aminata Touré (Grüne) über Strategien gegen Alltagsrassismus und Polizeigewalt gesprochen. Touré ist die erste Schwarze Politikerin im Kieler Landtag. Die 27-Jährige wurde in Neumünster geboren und ist Tochter malischer Flüchtlinge.
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Touré: Das Video traumatisiert Schwarze Menschen
FOCUS Online: Die Ermordung von George Floyd und der anhaltende Rassismus in den USA gegenüber Schwarzen sorgt auch für Debatten hier in Deutschland. Eine oft gestellte Frage ist dabei: Lässt sich der Rassismus in den USA überhaupt mit dem in Deutschland vergleichen. Was antworten Sie darauf?
Aminata Touré: Natürlich lässt sich der Rassismus in den USA nicht eins zu eins mit dem in Deutschland vergleichen. Rassismus hat unterschiedliche Ausprägungen, wie er gelebt oder ausgedrückt wird. In Deutschland haben wir eine andere Form, eine andere Situation und auch eine andere Geschichte. Dennoch gibt es Rassismus in Deutschland.
FOCUS Online: Sie haben sich dagegen ausgesprochen, das Video von George Floyds Tod zu teilen. Doch #blacklivesmatter wäre niemals so groß geworden, wenn es nicht in den Sozialen Medien geteilt worden wäre.
Touré: Mir geht es nicht darum, dass die Message nicht geteilt werden soll. Sie muss sogar unbedingt geteilt werden. Es war wichtig, dass es gefilmt worden ist, um deutlich zu machen, was „White Supremacy“ (englisch für „weiße Vorherrschaft“) in den USA bedeutet. Ich habe nur problematisiert, wie das Video geteilt worden ist. Wenn Schwarze Körper, Schwarze Menschen so wie in dem Video dargestellt werden, dann ist das dehumanisierend (Anmerkung der Redaktion: Ein US-Polizist kniete über acht Minuten auf George Floyds Kehle – bis er verstarb).
Das traumatisiert und re-traumatisiert Schwarze Menschen – auch mich. Die Bilder sind brutal. Deshalb muss man Schwarzen Menschen etwa mit einer Triggerwarnung (Anmerkung der Redaktion: Warnung vor möglichen Auslösereizen) die Wahl lassen, ob sie die Bilder sehen wollen oder nicht. Ich habe dieses Video bis heute nicht gesehen und ich werde es mir auch nicht angucken.
FOCUS Online: Was löst das in Ihnen persönlich aus, wenn Sie mitbekommen, dass ein Afroamerikaner nach einem brutalen Polizeieinsatz stirbt?
Touré: Mir geht dann ein „Schon wieder“ durch den Kopf. Der Tod von George Floyd ist ja leider kein Einzelfall. Immer wieder sterben in den USA Afroamerikaner durch Polizeigewalt. Ganz oft werden die Debatten dazu, dann aber nur in den USA geführt und der Bogen zu Deutschland wird gar nicht gezogen. Diesmal ist es anders. Das macht mich persönlich auf der einen Seite natürlich unglaublich traurig, dass es überhaupt notwendig ist, darüber zu sprechen.

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