Die Grünen reagieren heftig auf Plagiatsvorwürfe gegen Annalena Baerbock. Partei und Kandidatin fühlen sich ungerecht behandelt. Aber der Umgang mit der Kritik birgt Gefahren.
Die Lage ist in kurzer Zeit ziemlich eskaliert: Plagiatsvorwürfe gegen die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Der Aufruf des Wahlkampfchefs an die Mitglieder und Unterstützer, sie in Schutz zu nehmen. Die Behauptung, es laufe eine»Rufmord«-Kampagne gegen Baerbock. Ein Statement eines bekannten Medienanwalts. Zorn über eine»Tagesschau«-Meldung darüber, ausgerechnet während des EM-Achtelfinales England-Deutschland, als gefühlt das halbe Land vor dem Fernseher saß. Am Tag danach ist etwas Zeit, sich umzuhören in einer aufgeregten, einer verletzten Partei. Etwas Ruhe, die Lage zu sortieren. Zurückzuschauen und nach vorn zu schauen in die verbleibenden drei Wahlkampfmonate. Was genau war das nun? Und was genau wird daraus? Grüner Zorn und Frust Wer mit Grünen an diesem Mittwoch spricht, dem begegnet zunächst immer wieder dieses Gefühl: Frust. Man spürt, da sind einige richtig sauer. Die Geschichte, die nun von Parteimitgliedern immer wieder in Variationen erzählt wird, handelt von einer Kampagne, nicht gesteuert, aber betrieben von Menschen, die den Grünen schaden wollen. Von läppischen oder gar unbegründeten Vorwürfen, die von Medien übermäßig ausgestellt werden. Von einer überkritischen Auseinandersetzung mit ihrer Spitzenkandidatin. Ob irgendwen interessiert habe, dass Olaf Scholz dem falschen israelischen Politiker zur Wahl als Premierminister gratuliert hat? Ob es irgendwen gekümmert habe, dass auch in Armin Laschets Lebenslauf Fehler und Ungenauigkeiten waren? »Wir sind eine Bedrohung für bestehende Strukturen, und dafür werden wir unter Feuer genommen«, sagt ein Grüner, der schon einige Wahlkämpfe erlebt hat. Andere formulieren es bewegter. Je nach Erfahrung und Gemüt wird die Analyse sehr nüchtern vorgetragen oder sehr empört. Und enttäuscht. Nicht immer ist ganz klar, gegen wen sich die Vorwürfe überhaupt richten. Gegen den Plagiatsjäger, dem vorgehalten wurde, er arbeite gegen Geld, was unterstellt, er arbeite für dubiose Auftraggeber? Der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber bestreitet das vehement. Gegen die Union, die allenfalls an zweiter, dritter oder vierter Stelle im Skandalisierungsprozess eingegriffen hat? Gegen Medien, die über die Vorwürfe berichten? Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Konstantin von Notz, fühlte ich jedenfalls zu einem Tweet veranlasst, der wohl als Appell verstanden werden muss, sich mit offensiver Medienkritik zurückzuhalten:»Die Presse in Deutschland ist frei und kritisch – und bürstet manchmal hart gegen den Strich.