Mehr Straßen – aber keine einzige neue Bahnstrecke: Experten kritisieren die Verkehrspolitik der Bundesregierung und fordern ein rasches Umsteuern.
Deutschland steckt weiterhin deutlich weniger Geld in sein Schienennetz als andere Länder und rangiert im europäischen Vergleich von zwölf Ländern weit hinten. Die Schweiz investiert pro Kopf fünf Mal mehr, Spitzenreiter Luxemburg fast das Siebenfache. Das zeigt eine neue Studie der Hamburger Beratungsfirma SCI Verkehr und des Bündnisses Allianz pro Schiene (ApS), zu dem zwei Dutzend Umwelt- und Verkehrsorganisationen sowie 150 Unternehmen gehören. Mit 587 Euro pro Bürger lässt sich Luxemburg einen attraktiven Bahnverkehr mit Abstand am meisten kosten. Das kleine Land hat wegen vieler Autopendler massive Verkehrsprobleme und will mit Verlagerung auf die Schiene auch Umwelt und Klima besser vor Emissionen schützen. Platz 2 belegt die Schweiz mit 440 Euro pro Einwohner. Dahinter folgen Österreich (249), Norwegen (228), Schweden (220), Dänemark (141), die Niederlande (132), Großbritannien (131) und Italien (120). In Deutschland flossen 2020 pro Kopf 88 Euro in die Schiene, ein Sechstel mehr als im Vorjahr zuvor und so viel wie nie zuvor. Allerdings hat die Bundesregierung das zweitwichtigste Verkehrsnetz viele Jahrzehnte massiv vernachlässigt. Noch 2014 gab es nur 49 Euro für die Schiene, während Straßen mit üppigen Steuermitteln immer weiter ausgebaut wurde. Das sei „die falsche politische Weichenstellung“, kritisiert das Schienen-Bündnis. Die Bilanz von Dirk Flege fällt daher sehr kritisch aus. International bleibe Deutschland „nicht einmal Mittelmaß“, sagte der ApS-Geschäftsführer bei der Vorstellung der neuen Studie in Berlin. Die Bundesregierung hinterlasse ihren Nachfolgern in der Verkehrspolitik „riesige unbewältigte Aufgaben“. Mit dem bisherigen Kurs seien die Ziele, die Verkehrsminister Andreas Scheuer ausgegeben habe, sicher nicht zu erreichen: „Nötig ist ein grundsätzliches Umsteuern.