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Taliban erobern Kundus – den Symbolort deutscher Afghanistan-Politik

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Kein Ort in Afghanistan ist so eng mit dem Bundeswehreinsatz verbunden wie Kundus. Jetzt herrschen dort die Taliban. Für wie lange?
Als das Erkundungsteam der Bundeswehr für den Aufbau eines Feldlagers im September 2003 auf dem Flughafen von Kundus landete, schien die Zukunft der Provinzhauptstadt im Norden Afghanistans gesichert. Hindernisse für das Anrücken eines größeren deutschen Verbandes und den Aufbau eines „Provincial Reconstruction Teams“ zur wirtschaftlichen Stärkung der Region fand der Leiter des Erkundungsteams nicht, wie der „Spiegel“ damals berichtete. Allerdings warnte ein Scharia-Richter namens Rahmani die Deutschen: „Wenn ihr einen Plan habt wie die Russen, werdet ihr auch ihr Schicksal erleiden.“ Die Sowjets hatten sich nach zehn Jahren Krieg und Besatzung Ende 1989 aus Afghanistan zurückziehen müssen. Die westlichen Koalitionstruppen hatten womöglich andere Pläne als die Sowjets. Sie blieben zehn Jahre länger im Land als sie – erreichten ihre Ziele aber auch nicht. Die Provinzhauptstadt Kundus, aus der die Bundeswehr im November endgültig abzog, ist in den Jahren seit 2004 auf rund 370.000 Bewohner gewachsen. Am Wochenende fiel die Stadt nach langer Belagerung und heftigen Kämpfen an die radikal-islamischen Taliban. „Totales Chaos“ herrsche, berichtete Einwohner Schekib Salarski am Telefon. „Die Leute von der Regierung sind geflohen. Die Taliban haben Häftlinge aus dem Gefängnis entlassen. Wir haben weder Wasser noch Strom. Die Straßen sind gesperrt. Keiner kann die Verletzten in die Krankenhäuser bringen.“ Schon wenige Monate nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte die rot-grüne Koalition erstmals Soldaten an den Hindukusch geschickt – sie unterstützten US-Kräfte beim Kampf gegen die Taliban. Nach den Angriffen auf die USA, die von Afghanistan aus gesteuert wurden, hatte Kanzler Gerhard Schröder den USA „uneingeschränkte Solidarität“ zugesagt. Zwei Jahre später wählte die Bundesregierung den Norden des Landes für einen größeren Bundeswehreinsatz, weil die Region im Vergleich zu dem heftig umkämpften Süden damals noch als relativ sicher galt. Die deutsche Regierung war massiv unter Druck geraten. Schröder und der grüne Außenminister Joschka Fischer widersetzten sich dem I rakkrieg von US-Präsident George W. Bush. Die Mission in Kundus und anderen Provinzen sollte nicht nur vor Terroristen schützen, wie der damalige Verteidigungsminister Peter Struck betonte („Deutschlands Sicherheit wird am Hindukusch verteidigt“).

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