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"Das Bierzelt ist kein Beichtstuhl"

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Anne Will ist aus der Sommerpause zurück und greift das bestimmende Thema der vergangenen zwei Wochen auf: die Flugblatt-Affäre um den bayerischen Wirtschaftsminister Aiwanger. Die Talkgäste sind geeint in der Ablehnung des Inhalts des Pamphlets. Und dennoch gibt es Dissens.
Anne Will ist aus der Sommerpause zurück und greift das bestimmende Thema der vergangenen zwei Wochen auf: die Flugblatt-Affäre um den bayerischen Wirtschaftsminister Aiwanger. Die Talkgäste sind geeint in der Ablehnung des Inhalts des Pamphlets. Und dennoch gibt es Dissens.
Das menschenverachtende Flugblatt, das in unbekannter Anzahl vor mehr als 35 Jahren im Schulranzen von Hubert Aiwanger gefunden wurde, produziert seit zwei Wochen Schlagzeilen. Das liegt zum einen an dessen antisemitischen, faschistischen Inhalt, zum anderen an der politischen und medialen Aufarbeitung des Themas. Der bayerische Wirtschaftsminister Aiwanger hat dazu mehr oder weniger wortreich Stellung bezogen. Er darf sein Amt behalten. In rund einem Monat wird in Bayern gewählt und seine Partei, die Freien Wähler, schickt sich an, zweitstärkste Kraft zu werden. In München versucht die schwarz-orange Regierungskoalition, zur Tagesordnung überzugehen. Doch so einfach ist das nicht. Und genau darum geht es am Sonntagabend in der Talksendung von Anne Will.
Der Hauptakteur selbst, Hubert Aiwanger, ist nicht eingeladen. Das wäre vermutlich auch zu viel des Guten. Für ihn springt der Fraktionschef der Freien Wähler im Bayerischen Landtag, Florian Streibl, in die Bresche. Und der tut sein Bestes, seinen Parteichef zu verstehen und in Schutz zu nehmen. Nur an einer Stelle, als die Moderatorin wissen will, warum Aiwanger nicht direkt und umfassend auf die Fragen der „Süddeutschen Zeitung“ reagiert hat, zieht er sich aus der Affäre: „Das müssen Sie Herrn Aiwanger fragen.“
Als Aiwanger-Versteher hat Streibl an diesem Abend einen schweren Stand. Das ihm gegenüber sitzende CSU-Urgestein Günther Beckstein nennt Aiwangers Umgang mit den Vorwürfen „alles andere als vernünftig und professionell“. Die neben ihm sitzende Publizistin und Grünen-Politikerin Marina Weisband referiert sogar, wie Aiwanger sich wahrhaftig hätte entschuldigen können. Kurz zusammengefasst: Eingeständnis, Erklärung, Einsicht und Entschuldigung.
Und dann verstrickt sich Streibl auch noch in einen bizarren Schlagabtausch mit Moderatorin Will. Schuld ist eine fragwürdige Einlassung darüber, warum sich Aiwanger im Augenblick bei seinen Wahlkampfauftritten nicht mehr zu der Thematik äußert. „Das Bierzelt ist kein Beichtstuhl, sondern der Beichtstuhl ist woanders“, sagt Streibl. „Wir haben jetzt gerade Wahlkampf in Bayern.“ Will: „Wofür ist das eine Erklärung?“ Streibl: „Das ist die Erklärung dafür, dass man sich nicht ins Bierzelt hinstellt und Asche auf sein Haupt streut.“
Will reagiert fassungslos: „Wirklich, Herr Streibl? Sie behaupten, die Freien Wähler sind das Bollwerk gegen den Antisemitismus, dann sind die das doch auch im Bierzelt, oder nicht?“ Streibl, rudernd: „Also ich bin’s, also wir machen genug. Also ich habe eine Resolution im Landtag initiiert gegen Antisemitismus und Fremdenhass.

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