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Historiker nach Wilders-Wahl: „Das Bild der toleranten, liberalen Niederlande ist ein Mythos“

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Niederlande-Experte Friso Wielenga bezweifelt im Interview die Stabilität eine Regierung des Rechtspopulisten Geert Wilders.
Stand: 25.11.2023, 09:09 Uhr
Von: Kilian Beck
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Niederlande-Experte Friso Wielenga bezweifelt im Interview die Stabilität eine Regierung des Rechtspopulisten Geert Wilders. Und er erklärt, was das für die EU bedeuten könnte.
Den Haag – Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders gewann am Mittwoch (22. November) die Parlamentswahl in den Niederlanden. Ob ihn das zum Regierungschef macht, und was das für die Niederländische Demokratie bedeutet, erklärte Historiker Friso Wielenga in Gespräch mit fr.de von IPPEN.MEDIA am Donnerstag (23. November). Er erklärt, was man in Deutschland aus dem Wahlergebnis lernen kann, und warum das Bild der Deutschen von den Niederländern nicht ganz stimmt.
Wie steht es nach den Wahlen um die den Niederlanden häufig zugeschriebene Liberalität?
Das Bild der liberalen und toleranten Niederlande ist inzwischen ein Mythos, den wir gerne im Ausland immer wieder gezeigt, und auch selbst geglaubt haben. Angesichts solcher Wahlergebnisse wie dem vom Mittwoch, muss man aber feststellen: Die Niederlande sind längst in einer Welt angekommen, die gar nicht mehr so liberal und tolerant ist.
Wieso hat Geert Wilders dieses Wahlergebnis erzielt, das trotzdem keiner so erwartet hatte?
Obwohl Geert Wilders zuletzt steigende Umfragewerte hatte, ist das Wahlergebnis ein historisches Erdbeben, dass niemand erwartet hatte. Das Vertrauen in die Politik in den Niederlanden hat einen absoluten Tiefstand erreicht und viele sind der Meinung, „Die da oben hören schon längst nicht mehr auf uns“. Es gibt sehr viele, die sich sowohl politisch als auch sozial abgehängt fühlen.
Außerdem gab es viel Kritik an der Migrationspolitik der vergangenen Jahre. Hinzu kommt, dass viele ihre Existenzsicherheit als bedroht empfinden: Inflation, steigende Mieten und das Gesundheitssystem waren auch wichtige Punkte. Das sind alles Faktoren, die den Rechtspopulisten und somit auch Wilders Rückenwind geben.
Wie gingen die Konservativen mit Wilders im Wahlkampf um?
Die Chefin der konservativen VVD, Dilan Yesilgöz, das ist die Partei von Ministerpräsident Mark Rutte, hat im Wahlkampf die Tür zu PVV geöffnet. Seit 2014 war es so, dass man eine Zusammenarbeit mit Wilders ausgeschlossen hat. Es sei denn, er würde seine Standpunkte bezüglich des Islam korrigieren. Yesilgöz zeigte sich jedoch offener und war bereits ohne eine derartige Kehrtwende im Prinzip zur Zusammenarbeit mit Wilders bereit. Das hat Wilders clever aufgegriffen, indem er sich im Wahlkampf sehr gemäßigt gezeigt hat. Er hat gesagt, die Anti-Islam-Haltung gehöre zu seinen Genen, aber es gebe jetzt wichtigere Sachen und die wolle er mit anderen Parteien nun gemeinsam lösen.
Welche Folgen hätte eine Regierung Wilders für die Menschen in den Niederlanden, die nicht in Geert Wilders Weltbild passen?
Sehr viele Muslime und auch traditionelle Sozialdemokraten, Grüne oder Linksliberale, haben das Gefühl, die Wahl war ein politisches Erdbeben, das dazu führt, dass unser Rechtsstaat und unsere liberale Demokratie angetastet werden könnten.  Am Wahlabend sah sich Frans Timmermanns, der die gemeinsame Liste von Sozialdemokraten und Grünen anführte, gezwungen, zu sagen, dass er und das Bündnis der beiden Parteien für den Rechtstaat kämpfen werden. Der Parteiführer der linksliberalen D66 Rob Jetten tat das Gleiche.

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