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Blitz-Radikalisierung: CDU-Nachwuchshoffnung ist jetzt Identitären-Aktivistin bei der AfD

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Anfang Juli wird eine junge Frau von der CDU Koblenz für Wahlen aufgestellt. Nun sitzt sie mit AfD-Größe Maximilian Krah zusammen und mischt in der Identitären Bewegung mit. Was ist passiert?
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Anfang Juli wird eine junge Frau von der CDU für eine Kommunalwahl aufgestellt. Fünf Monate später mischt sie in AfD und Identitärer Bewegung mit. Wie schnell geht Radikalisierung?
In einer Altbauwohnung in Marburg trifft sich Mitte November eine Gruppe von jungen Frauen. Auf den Tisch kommen Glühwein und Käsespätzle, Stoffbeutel mit Stapeln von Aufklebern: „Abschieben schützt Frauen“ steht auf einem, auf einem anderen: „It’s okay to be white“ (es ist okay, weiß zu sein), was Rassismus gegen Weiße suggerieren soll. Es gibt auch das Bild eines Südosteuropäers mit einem Spruch in schlechtem Deutsch: „Mach keine Handel mit Alman. Echter Deutscher gibt AfD Stimme.“
Die Frauen treffen sich an diesem Tag zur „Aktivistenschulung“ von Lukreta, einer Organisation der extrem Rechten, die zum Umfeld der Identitären Bewegung gehört. Mittendrin unter den Aktivistinnen ist an diesem Tag eine junge Frau, die ein paar Wochen zuvor noch niemand hier vermutet hätte.
Sie wurde im Sommer noch auf eine Liste der CDU für eine Kommunalwahl gewählt und galt als Nachwuchstalent in Rheinland-Pfalz. Jetzt ist sie Mitglied der AfD und dort am rechten Rand, wo die „gesichert Rechtsextremen“ sich mit immer weniger Scheu zeigen. Mit Maximilian Krah, dem neuen mächtigen Mann der Partei und Spitzenkandidaten für die Europawahl, saß sie schon auf einem Podium. Ihren bürgerlichen Job hat sie inzwischen verloren. Es ist die Geschichte einer Blitzradikalisierung.
Dass sie endgültig abdriftet, bringt vielleicht ein Posting auf der Plattform X (vormals Twitter) vom 27. Oktober auf den Punkt. „Ich distanziere mich von allen Distanzierungen“, twitterte ReBelle. „ReBelle“ ist ihr Pseudonym, sie tritt online schon seit Monaten nicht mehr mit ihrem richtigen Namen auf.
Dieser Name, Isabelle Cofflet, stand bis Mitte November noch im Netz unter cdu-koblenz.de auf der Kandidatenliste für die Wahl zum Rat der rheinland-pfälzischen Stadt im nächsten Jahr. Am 1. Juli erst war sie auf einem CDU-Parteitag gewählt worden, „Motiviert mit Isabelle Cofflet“, freute sich in einem Facebook-Posting die Junge Union über die Kandidatinnen und Kandidaten aus ihren Reihen, Cofflet war dort seit Oktober 2022 im Vorstand.
Es entstanden in den ersten Monaten viele Fotos der örtlichen Nachwuchsorganisation mit ihr, und oft steht sie darauf im Mittelpunkt. Als im Februar 2023 die CDU Rheinland-Pfalz den aktuellen Jahrgang ihres Nachwuchsförderprogramms begrüßte, war Cofflet unter den knapp 50 jungen Leuten aus ganz Rheinland-Pfalz, die ins Schulungsprogramm aufgenommen wurden. Sie hat sich selbst beworben.
Was da niemand ahnt, aber ein Eintrag auf Telegram zeigt: Sie ist schon am Jahresanfang 2023 in der Chat-Gruppe des Österreichers Martin Sellner aktiv, der Galionsfigur der Identitären Bewegung und Schnittstelle zu den Strippenziehern der Neuen Rechten um den rechtsextremen Verleger und Aktivisten Götz Kubitschek. Die Identitären werden vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und treten heute unter diesem Namen kaum noch auf.
Cofflet legte in ihren ersten Monaten in der CDU viel Engagement an den Tag: Sie fuhr im März mit einer Koblenzer Abordnung zu einer CDU-Regionalkonferenz ins badische Pforzheim, im Mai hielt die Sozialarbeiterin bei einer CDU-Vereinigung einen Vortrag, im Juni war sie mit einem Arbeitskreis auf einem Ortstermin.
Attraktive junge Frauen wie sie sind rar und gesucht bei den Parteien, sie werden gerne präsentiert. Als in Koblenz am 1. Juli die Liste für die Stadtratswahl aufgestellt wird, gibt es gegen Cofflet dennoch auch Vorbehalte. Platz 24 bekommt sie, aussichtslos für ein Mandat. Sie wäre wohl weiter oben auf die Liste gesetzt worden, sagt der Kreisvorsitzende der Koblenzer CDU, der Bundestagsabgeordnete Josef Oster t-online. Doch da gab es ihre Vorgeschichte.
Denn 2018 hatte Cofflet schon für die Partei Die Linke kandidiert. Deshalb habe es Diskussionen bei Koblenzer Christdemokraten gegeben. Die Kandidatin könnte zu linke Einstellungen haben, befürchtete so mancher. Oster hatte nie intensiveren Kontakt. Mit dem Wissen von heute sagt er: „Es ist mir eine Lehre, dass ich mir auch die Bewerber für Plätze weiter hinten selbst anschauen muss.“
Aber Sorgen in die linke Richtung waren zu jener Zeit wirklich völlig unbegründet.
Die junge Frau vertrat da auch schon selbstbewusst offen rechte Positionen in der Union, als ReBelle auf X, ohne ihren richtigen Namen, Bezüge zur CDU hat sie schon aus dem Profil genommen. Mehrfach legte sie sich mit Ruprecht Polenz an, dem früheren Generalsekretär der CDU. Der 77-Jährige ist im Netz der ständige Mahner, die Partei müsse Abstand zur AfD und deren Methoden und Rhetorik halten.
Für manche im rechten Lager ist Polenz eine Hassfigur, andere stellen ihn als ihren heimlich besten Mann dar: Mit seinen strikten Abgrenzungen und seinem Wohlwollen für Grüne treibe er der AfD enttäuschte CDU-Anhänger zu.

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