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Zeiten der Angst, der Wut: Deutschland nach dem 7. Oktober

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Seit dem blutigen Terrorangriff der Hamas auf Israel ist das Zusammenleben auch hier enorm kompliziert geworden. Die Unversöhnlichen sind oft lauter als jene, die den Dialog suchen. Wo ist der Ausweg?
Zeiten der Angst, der Wut: Deutschland nach dem 7. Oktober
Seit dem blutigen Terrorangriff der Hamas auf Israel ist das Zusammenleben auch hier enorm kompliziert geworden. Die Unversöhnlichen sind oft lauter als jene, die den Dialog suchen. Wo ist der Ausweg?
Berlin – Es ist ein unscheinbarer Ort für diesen jüdisch-muslimischen Dialog über Vielfalt und Toleranz, Liebe und Hass seit dem 7. Oktober. Im verwitterten Alten Stadtbad in Berlin-Lichtenberg, in einem Raum hinten links mit grauen Fliesen und braunem Linoleum, diskutieren die Imamin Seyran Ates und der Rabbiner Boris Ronis vor ein paar Dutzend Menschen. Doch selbst in diesem entlegenen Winkel brauchen sie Personenschützer. Vor dem Bad wacht die Polizei. Das ist der Stand der Dinge in Deutschland im Frühjahr 2024.
Rund ein halbes Jahr nach dem blutigen Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel mit 1200 Toten und 230 Entführten bleibt nicht nur die Sicherheitslage in Deutschland angespannt. Das Zusammenleben ist enorm kompliziert geworden. Bundesweit schoss die Zahl antisemitischer Anfeindungen und Angriffe hoch, ebenso die Zahl antimuslimischer Vorfälle. Auf den Straßen, an Schulen und Universitäten, in der Kultur, überall bricht der Konflikt auf. Aktivisten prangern Israel an für Not und Tod nach der Militäroffensive gegen die Hamas im Gazastreifen – oft mit einer Feindseligkeit, die Juden in Deutschland tief verletzt und erschreckt. Zugleich fühlen sich beide Seiten von der Mehrheit im Land kaum gesehen. Es sind Zeiten der Angst, der Wut, der Sprachlosigkeit.
Schon deshalb ist dieser Abend im Stadtbad bemerkenswert – und weil sich die Muslimin Ates und der Rabbiner Ronis sehr einig sind. „Was am 7. Oktober passierte, das hat mich in eine Schockstarre vor Schrecken und vor Wut und Unfassbarkeit gebracht“, sagt Ates, Gründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee und nach eigenen Worten aktive Linke. Solidarität mit der Hamas? Undenkbar, sagt sie. „Es gibt sehr viele Muslime, das kann ich Ihnen sagen, die genau diese Worte, Wort für Wort, unterschreiben würden, dass sie auf der Seite Israels stehen.“ Zugleich erzählt die 60-Jährige von „Hasstiraden“ wegen ihrer Haltung. Ihre Moschee wird von Terroristen bedroht. Sie selbst habe seit 18 Jahren Personenschutz, sagt Ates.
Die Unversöhnlichen sind oft lauter als jene, die den Dialog suchen. Aufgebrachte propalästinensische Aktivisten brüllten bei der Leipziger Buchmesse gegen Bundeskanzler Olaf Scholz an und dann auch gegen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Zuvor gab es allein in Berlin: einen versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge; Demonstrationen und Rangeleien an Unis; eine gefährliche Prügelattacke gegen einen jüdischen Studenten; Gebrüll bei einer Diskussion mit einer israelischen Verfassungsrichterin und bei einer Lesung von Hannah-Arendt-Texten.
Und dann natürlich der Eklat bei der Berlinale-Gala. Dort forderten Filmemacher nicht nur einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen, einzelne Teilnehmer warfen Israel „Genozid“ und „Apartheid“ vor. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sprach prompt von „Hetze gegen Israel und Juden“, und auch Politikerinnen und Politiker brandmarkten die Äußerungen nicht nur als einseitig, sondern als klar antisemitisch.

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